Unter feindlicher Flagge
zählen kann. Zwar waren nur zwei Wunden lebensbedrohlich, aber insgesamt hat er viel Blut verloren.«
»Ein Patient weniger, den Sie zur Ader lassen müssen, Doktor«, sagte Hayden trocken.
Griffiths' Augen weiteten sich, doch dann stieß er ein halb verschlucktes Kichern aus. »Wie können Sie jetzt bloß einen Scherz machen?«
»Haben Sie mir die Frage nicht schon einmal gestellt? Ich erinnere mich nicht mehr genau.« Hayden erhob sein Glas, sodass das Licht der Laterne durch die rote Flüssigkeit fiel. »Scherze sind wie Wein, Doktor. Sie helfen uns, damit wir unsere Bürden leichter tragen können, und sie sorgen dafür, dass wir die Welt bunter sehen, als sie ist. Wir haben die Themis zurückerobert, und obwohl ich weiß, dass der Preis hoch war, so verhinderten wir doch, dass eine britische Fregatte in die Hände des Feindes fiel.«
»Ich lade Sie ein in mein Lazarett. Dann werden Sie sich fragen, ob es das wirklich wert war.«
»So gesehen müssen alle Gefechte als nutzlos erscheinen. Ich würde das genauso sehen, wenn ich mit den Verwundeten zu tun hätte. Aber wir können einen Krieg nun einmal nicht ohne Tote und Verwundete gewinnen. Ich schaue in Ihrem Lazarett vorbei, sobald wir den Sturm überstanden haben. Offiziere müssen lernen, die Opfer ihrer Unternehmungen einzuschätzen, damit sie das Leben ihrer Männer nicht zu leichtfertig aufs Spiel setzen.«
Griffiths nickte zustimmend. »Und was denken Sie, wo ist unsere französische Fregatte jetzt?«
»Ich hoffe, Sie hält auf Brest zu. Im Augenblick können wir nur feststellen, dass sie nirgends zu sehen ist. Ich vermute, dass wir sie abgeschüttelt haben.«
Griffiths erhob sein Glas. »Verwirren wir den Feind.«
»Stoßen wir darauf an«, sagte Hayden.
»Ich habe noch eine Neuigkeit, die Sie hören sollen, bevor ich Sie in Ruhe lasse«, sprach der Doktor. »Als Hart erfuhr, dass Sie die Themis wirklich eingeholt und geentert hatten, bekam er einen Tobsuchtsanfall. Daraufhin habe ich versucht, ihn mit einer Dosis Laudanum zu beruhigen, und er war nicht mehr ganz bei sich. Ich fürchte allerdings, dass in seinem Gemurmel und seinen Flüchen, die er seither von sich gibt, etwas Wahres dran ist. Immer wieder höre ich von ihm ›er glaubt, er wird mich wie einen Narren aussehen lassen. Er wird schon sehen, aus welchem Holz ich geschnitzt bin, wenn wir in England sind. Ich mache ihn fertig‹ und ähnliche Drohungen. Ich denke, Hart fürchtet am meisten, dass sein wahrer Charakter bald ans Licht kommen wird, und das haben Sie ja gründlich vorangetrieben.«
»Das hat Kapitän Bourne mir auch schon gesagt.«
»Nun, dann wissen Sie ja, was auf Sie zukommt. Im Augenblick ist Hart vielleicht ein wenig verwirrt, aber seine Drohungen dürfen Sie nicht unterschätzen.«
Hayden war viel zu erschöpft, um über die Folgen seines Handelns nachzudenken. Aber selbst in seinem müden Zustand ahnte er, dass Griffiths recht hatte. »Ich werde es mir merken, Doktor. Danke.«
In weniger als einer Stunde war Hayden wieder an Deck, gehüllt in das Ölzeug des früheren Kapitäns. Nirgends ein Anzeichen des französischen Schiffes, aber die Themis war ebenso wenig zu sehen. Das lag jedoch vor allem daran, dass man in der Richtung, aus der der Regen aufs Deck prasselte, überhaupt nichts erkennen konnte. Landry war gewiss erfahren genug, um auf Abstand zu gehen. Ein Zusammenprallen bei Dunkelheit und Sturm würde beiden Schiffen zum Verhängnis werden.
Im Verlauf der Nacht nahm der Sturm noch zu. Hayden teilte seine stellvertretenden Offiziere zur Wache ein, aber da es zu wenig Vollmatrosen gab und das Schiff in dem Unwetter anfällig war, beschloss er, so lange wie möglich selbst an Deck zu bleiben. Wickham erwies sich abermals als überaus tüchtiger Midshipman. Für sein jugendliches Alter wirkte er schon sehr reif und besaß mehr seemännische Kenntnisse als manch anderer seines Jahrgangs. Dennoch mangelte es ihm noch an Erfahrung.
Die Dragoon rollte nun stärker, als es Hayden lieb war. Royal- und Bramsegel hätten für bessere Stabilität sorgen können, aber die Spiere waren bei diesen Wetterverhältnissen gefährdet. Zudem gierte das Schiff stark, was sich nach Haydens Dafürhalten durch die Verlagerung der Ladung nach achtern beheben ließe.
Die Wogen kamen wie aus dem Nichts und drückten das Heck hoch. Sekundenlang ritt das Schiff auf dem Kamm, ehe es wieder in ein Wellental sackte. Hayden hatte vier Mann ans Steuerrad beordert, achtete genau auf
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