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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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die Rollbewegungen der Dragoon und stellte fest, dass die Steuermänner trotz des Gierens in der Lage waren, den Kurs beizubehalten.
    Ab und an donnerte eine riesige Welle wie ein Seeungeheuer gegen das beschädigte Heck, worauf Hayden einen Mann unter Deck schickte, um mögliche Schäden zu melden.
    Aus der Dunkelheit tauchte Dryden auf. Er trug das Ölzeug eines Franzosen. Er war oben in der Takelage gewesen und hatte die Stoßmatten überprüft.
    »Wie sehen die Stoßmatten aus, Mr Dryden?«
    »Gut, Sir. Mr Barthe wäre gewiss nicht unzufrieden mit unserer Arbeit, wenn ich das so sagen darf, Sir.« Er schwieg einen Moment. »Eine schwere See, nicht wahr, Mr Hayden?«
    »In der Tat, und es könnte noch schlimmer werden. Ich kann mich kaum an einen schwereren Herbststurm auf See erinnern.«
    »Ich auch nicht, Sir, aber ich fahre ja auch noch nicht so lange zur See. Mr Barthe würde jetzt sagen, dass die Taifune im Südpazifik noch viel schlimmer sind.«
    Hayden lachte. »Er mag recht haben, aber mir reicht dieser Sturm schon, da unser Schiff beschädigt ist und kein stabiles Rigg hat.«
    »Ja, Sir, aber ich fürchte, der Sturm wird noch stärker werden.«
    Es stellte sich bald heraus, dass Drydens Vorahnung stimmte, denn der Wind nahm weiter zu, die See wurde noch gefährlicher. Mehr als einmal wurde das Deck überspült. Wassermassen brachen über das Heck und hätten den Kommandanten beinahe von den Beinen gerissen. Das Schiff jedoch trotzte dem Seegang, und Mr Chettles Reparaturen hielten dem Test stand, obwohl die Dragoon mehr Wasser in der Bilge hatte, als Hayden lieb war.
    Die Männer am Steuerrad wurden oft abgelöst, und nachdem Hayden Wickham unter Deck geschickt hatte, damit sich der Junge etwas aufwärmen konnte, gönnte er sich selbst eine Pause. Die Mittelwache war angebrochen, aber Perseverance Gilhooly servierte ihm dennoch eine kalte Hammelkeule und ein Stück krümeligen, nur leicht schimmeligen Käse. Hayden spülte alles mit Rotwein hinunter.
    Eine Stunde lang döste er in seiner Koje, die durch das Stampfen und Rollen der Dragoon mächtig schaukelte. Zuerst fand er keinen Schlaf, ehe Träume und Wachen ineinander übergingen. Die Windgeräusche und das Knarren des Holzes beflügelten seine Einbildungskraft und waren bald nicht mehr voneinander zu trennen. Einmal glaubte er, jemanden auf Französisch flüstern zu hören, und fuhr aus dem Halbschlaf. Doch dann lächelte er, als er merkte, dass es nur das Läuten der Schiffsglocke war.
    Hayden blieb noch eine Weile in der warmen und für die Verhältnisse gemütlichen Koje liegen und lauschte auf die Geräusche des Sturms. Die Spanten ächzten, die Ruderpinne quietschte, der Wind heulte durch das Rigg. Doch da vernahm er wieder dieses Flüstern - Silence! - auf Französisch. Schlief er oder wachte er?
    Bei diesem Seegang aus der Koje zu steigen war an und für sich schon ein Abenteuer, aber dank langjähriger Übung landete Hayden sicher auf dem Boden. Rasch schlüpfte er in seine Uniform und griff nach seinem Entermesser. Draußen vor der Kajütentür entdeckte er den Seesoldaten schlafend in einer Ecke. Der Kopf war ihm auf die Brust gesackt. Hayden stieß den Mann mit dem Fuß an und ging in die Hocke, als der Soldat allmählich wach wurde. Ein dümmlicher, fast wütender Ausdruck schlich sich in seine verschlafene Miene.
    »Keinen Laut, Jennings«, warnte Hayden ihn leise.
    Der Mann rappelte sich hoch. Sein Unmut, geweckt zu werden, wich rasch großer Bestürzung. Denn bei Pflichtversäumnis drohte einem Seesoldaten die Auspeitschung.
    Aber mit derlei Dingen konnte sich Hayden jetzt nicht aufhalten. Er legte einen Finger an seine Lippen und schlich voraus. Der Sturm hatte noch nicht nachgelassen, und das Wüten der See und das Brausen des Windes überlagerten fast sämtliche anderen Geräusche. Leise hielt er auf den Niedergang zu, wo er einen Augenblick lang stehen blieb und lauschte. Und dann hörte er es wieder - jemand flüsterte, diesmal in englischer Sprache und mit starkem Akzent.
    »Schneller! Aber leise.«
    »Aber ich bin der Schiffsarzt ...«, kam die Antwort, fest aber voller Verzweiflung. »Ich habe keinen Schlüssel für die Tür der Gefangenen oder die Waffenkammer.«
    Griffiths!
    Erneut das Flüstern, beinahe ganz verschluckt von den krachenden Wellengeräuschen. Doch Hayden glaubte, am Sprechrhythmus erkannt zu haben, dass die Antwort wieder auf Französisch gekommen war.
    »Einige Franzosen sind im Zwischendeck frei«,

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