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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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flüsterte er dem Seesoldaten ins Ohr. »Holen Sie noch ein paar Männer. Aber seien Sie leise!«
    Der Soldat nickte angespannt und verschwand durch die Tür zum Kanonendeck in der Dunkelheit. Im Luftzug flackerte die Kerze in der einzigen Laterne. Hayden glaubte, dass die Männer unten in ihren Bewegungen innehielten, war sich bei dem Donnern der Wellen jedoch nicht sicher.
    Unweit des Niedergangs robbte er auf dem Bauch vorwärts und überlegte, wie spät es inzwischen sein mochte - würde bald die Wache abgelöst? Wenn doch nur jemand die Glocke schlagen würde! Er versuchte, ruhig zu atmen, und konzentrierte sich auf das Lauschen. Wie viele Männer waren es? Marin-Marie und mindestens ein weiterer Franzose, da der Leutnant abwechselnd Englisch und Französisch sprach. Angestrengt lauschte Hayden bei all dem Rauschen des Windes und der Wellen auf das rhythmische Quietschen der Lenzpumpen, aber sie schienen nicht mehr in Betrieb zu sein. Offenbar hatten die Gefangenen die Wachen überwältigt. Acht Franzosen also und Marin-Marie, doch der war verwundet. Zu viele Gegner für Hayden, denn er war allein - außerdem hatten die Gefangenen den Doktor als Geisel genommen. Nur aus diesem Grund hatte Hayden noch nicht Alarm geschlagen. Wenn sich die Franzosen nun in der Offiziersmesse mit einer Geisel oder mehreren verbarrikadierten, stand das Leben der Besatzungsmitglieder auf dem Spiel.
    Doch Hayden durfte nicht zulassen, dass die Männer die Waffenkammer erreichten, die anderen Gefangenen befreiten oder die Kontrolle über die Pulverkammer bekamen. Vorerst befanden sich die Männer noch im unteren Kanonendeck. Hayden harrte ein Deck über ihnen aus. Die Waffenkammer lag ein Deck unter den Verschwörern, im Orlopdeck. Die Pulverkammern vorn und achtern waren abgesenkt und erstreckten sich bis zum Laderaum. Dem Flüstern nach zu urteilen, vermutete Hayden die Franzosen inzwischen beim Niedergang zur Offiziersmesse - unmittelbar bei den Unterkünften der Midshipmen. Da die Dragoon hoffnungslos unterbesetzt war, standen auch weniger Posten Wache als auf einer normalen Fregatte. Zudem wusste Hayden, dass die Männer in den Hängematten neben den Räumen der Midshipmen allesamt völlig erschöpft waren und daher tief und fest schliefen - das Toben des Sturms überlagerte ohnehin die meisten Laute an Bord.
    Große Wellen krachten gegen den Schiffsrumpf, der Wind spielte hohe, hohle Töne im Rigg, das Ruderblatt knarrte wie eine alte Tür, die Balken ächzten. Und inmitten all dieser Geräusche meinte Hayden, dass Männer barfuß über die Treppe gingen. Dann verstummten die Schritte im trüben Licht, und jemand stolperte, wahrscheinlich Griffiths, der immer Schwierigkeiten hatte, während eines Sturms das Gleichgewicht zu halten.
    Langsam kroch Hayden weiter vorwärts und spähte die Stufen hinab in das düstere Deck. Alles lag in tiefen Schatten. Fahl schimmerten die getünchten Zwischenwände. Die Planken, rußverschmiert vom Laternenqualm, waren nur zu erahnen. Dort eine geschlossene Tür, dahinter die stille Offiziersmesse. Nur starre Formen, keine schattenhaften Bewegungen.
    Hayden blickte zurück zur Tür, durch die der Seesoldat geschlichen war, und fragte sich, wo Jennings nur so lange blieb. Langsam stieg er dann die Treppe hinunter, wobei er sich wie ein Kind mit beiden Händen am Geländer festhielt. Da er wusste, dass die Tür zur Messe quietschte, wartete er, bis das Deckenholz unter dem Ansturm der Wellen knarrte und die nicht geölten Angeln ihn nicht verrieten.
    Hayden war in vollkommene Dunkelheit gehüllt. Erst allmählich war die Einrichtung der Messe zu erahnen. Die Stühle waren an den Wänden festgezurrt, der Tisch jedoch stand an Ort und Stelle, da er fest mit den Planken verbunden war. Hayden streckte die Hand aus und tastete sich an der Tischplatte entlang. An Bord bevorzugte Hawthorne immer die mittlere Kabine an Steuerbord, und Hayden hoffte, dass sich der Leutnant der Seesoldaten auch diesmal diesen Raum gesichert hatte.
    Entschlossen zog er die Tür auf und flüsterte in die Dunkelheit hinein: »Mr Hawthorne! Mr Hawthorne, Sir!«
    Ein Rascheln, dann ein gemurmeltes: »Verschwinde! Ich war fast eingeschlafen!«
    »Hawthorne, ich bin's, Hayden!«
    Das Rascheln wurde lauter. »Mr Hayden? Bitte entschuldigen Sie, Sir! Ich dachte ...«
    »Hawthorne, einige Franzosen schleichen durch das Schiff und haben den Doktor als Geisel genommen.«
    Er hörte, wie der Leutnant der Seesoldaten aus der Koje kletterte

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