Unter feindlicher Flagge
Gig, kaum noch auszumachen in der zunehmenden Dunkelheit, hatte die Fregatte fast erreicht. Deutlich sah er, wie die weißen Riemen in die Schaumkronen tauchten.
Über einen notdürftig ausgebesserten Niedergang stieg Hayden unter Deck und stand fast im Dunkeln, wenn Schiffsjungen nicht hier und da Laternen hochgehalten hätten, damit die fluchenden Zimmerleute überhaupt etwas sahen.
»Kapitän an Deck!«, rief jemand. Chettle war an Bord der Dragoon geblieben, da sie aufgrund der leichteren Bauweise stärkere Beschädigungen aufwies. Ein Franzose, vermutlich ebenfalls ein Schiffszimmermann, gestikulierte beinah überzogen und belegte die anderen Arbeiter mit einem wahren Wortschwall auf Französisch.
»Ich weiß nichts von einem verdammten lay toop«, antwortete Chettle nicht gerade freundlich.
»Wo gibt es Schwierigkeiten, Mr Chettle?«
»Der verdammte Franzose - verzeihen Sie, Sir. Dieser Franzose, Gott segne sein schwarzes Papistenherz, ruft hier was, das wir nicht verstehen, Sir.«
Hayden sprach den Franzosen in dessen Muttersprache an und hätte fast gelacht, als der Mann geendet hatte.
»Nun, dann bin ich ja froh, dass der Mann nur Spaß gemacht hat«, grummelte Chettle.
Hayden wandte sich dem Schiffszimmermann zu. »Er sagt, euer Werg - französisch l'étupe - wird zu stark hineingedrückt. Wenn die Planken aufquellen, wird es wieder herausgedrückt.«
»Mr Swinburn ist seit nunmehr zwanzig Jahren Kalfaterer, Sir. Ich denke, dass er sein Handwerk versteht. Er hat es zwar stark in die Ritzen gedrückt, das stimmt, aber diese Planken hier sind noch frisch und werden kaum stark schwellen. Dann haben wir die Nähte mit Pech bestrichen. Auf dem Zwischendeck haben wir es genauso gemacht, aber wir spannten geteertes Segeltuch über die Planken - eine ganz schöne Schweinerei, Sir, aber unter den gegebenen Umständen die beste Methode. Sie wird ein bisschen lecken, Mr Hayden, bis die trockenen Planken das Wasser aufsaugen. Dann müsste sie so dicht wie andere Schiffe auch sein.«
»Solange sie uns heil durch den Sturm bringt.«
Chettle machte eine unentschlossene Bewegung, die man als Nicken oder Schulterzucken hätte deuten können, was Hayden nicht gerade in seiner Zuversicht bestärkte.
Rasch stieg er hinab zum Zwischendeck und hielt eine Laterne hoch. Einen halben Zoll hoch schwappte das Wasser über das Deck, und jedes Mal, wenn das Schiff einer Wellenbewegung folgte, drang Wasser durch die Bordwand.
»Wenn das Wasser hier weiter steigt, müssen wir etwas unternehmen, Mr Chettle. Selbst ein paar Zoll Wasser gefährdet die Stabilität des Schiffes.«
Hayden begutachtete schnell das ganze Deck. Die Ausbesserungen waren vorwiegend von außen vorgenommen worden, obwohl zersplitterte Spanten - grob geklammert - deutlich zu sehen waren. Unter den gegebenen Umständen befand Hayden die Arbeiten jedoch für akzeptabel.
Weiter ging es über das Orlopdeck und in das notdürftige Lazarett. Hayden schritt an den leicht pendelnden Hängematten entlang, sah, dass die Bordwand unversehrt geblieben war, dafür aber Wasser aus dem Deck darüber zwischen den Planken durchtropfte. In Eimern wurden die Tropfen aufgefangen, dennoch war das Deck des Krankenreviers nass. Über einige Hängematten hatte man Segeltuch gespannt.
»Können wir nichts gegen dieses Wasser unternehmen, Mr Hayden?«, fragte Griffiths.
»Das legt sich schon, Doktor«, antwortete Chettle anstelle von Hayden. »Keine Sorge.«
»Ich denke, Mr Chettle hat recht, Doktor. Das Holz quillt auf, wenn es sich voll Wasser saugt. Dann müssten die Nähte dicht sein. Bis dahin schicke ich Ihnen Männer mit Dweils und Eimern.«
»Hoffen wir, dass das Holz nicht die ganze Nacht quellen muss«, erwiderte der Doktor. »Steht uns ein Sturm bevor?«
»Ich fürchte, ja. Wie kommen Sie voran?«
Griffiths war näher an Hayden herangetreten und sagte nun leise: »Das Schlimmste ist überstanden, aber wir haben so viele Verletzte, die Meuterer nicht mitgezählt. Selbst mit zwei Ärzten - und Doktor Bordaleau ist kompetent, insbesondere mit der Knochensäge und dem Amputationsmesser - kommen wir kaum mit der Arbeit nach.«
»Wir werden im Augenblick alle bis an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben. Jetzt zieht auch noch ein Sturm auf, und ich habe nicht genügend Männer zum Bergen des Großsegels. Ich weiß, dass Sie Ihr Bestes geben werden, und genauso machen wir es auch. Wie steht es um Mr Franks?«
»Er hat große Schmerzen. Sein Fuß wurde von einer
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