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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Hayden konnte fast den verächtlich verzogenen Mund des Jungen erkennen.
    Hayden nahm das Ölzeug dankbar entgegen. »Ist es jetzt fertig?«
    »Aye, Sir. Ich verstehe nicht, was er mir sagen will, aber ich glaube, er hat mit seinen Gesten angedeutet, dass es verdirbt, wenn es nicht gleich gegessen wird.«
    »Ich bin gleich unten, sobald Mr Wickham zurückkehrt. Sorg dafür, dass an meinen Kajütfenstern kein Licht zu sehen ist, Perse. Irgendwo dort ist eine französische Fregatte, und ich glaube, man hat uns durchschaut.«
    »Ich habe schon alles verhängt, Sir, wie Mr Hawthorne es mir aufgetragen hat. Auch die Galeriefenster sind verhängt.«
    »Gut gemacht.«
    Während Hayden auf Wickham wartete, tauchte Dryden aus der Dunkelheit auf. Er hielt eine Hand in den regennassen Wind und zog die Schultern bei der Kälte ein.
    »Mache mir Sorgen um unser Großsegel, Mr Hayden!«, rief er durch den Sturm. »Die Rah ist auf einem Fünftel ihrer Länge geborsten. Wir haben alles versucht, aber ich fürchte, sie wird nicht halten.« Er deutete in die windige Nacht. »Vielleicht sollten wir das Großsegel reffen.«
    »Nein, Mr Dryden, wir bergen es schon jetzt. Ich möchte die Männer nicht zum Reffen nach oben schicken, um sie dann eine Stunde später wieder aufentern zu lassen, um das Segel zu bergen. Wenn die Rah in einem ungünstigen Augenblick bricht, werden Männer sterben. Bergen Sie das Segel und reffen Sie das Großmarssegel.«
    Drydens Nicken war nur zu erahnen. »Aye, Sir. Ich war so frei, die Toppnants der Fock zusätzlich zu laschen. Ich hoffe, Sie sind einverstanden?«
    »Bin ich, Mr Dryden.«
    Der junge Maat des Masters eilte wieder los und suchte den Bootsmann. Im Verlauf der nächsten Dreiviertelstunde spähte Hayden in der Dunkelheit immer wieder hinauf zum Großmast, da er befürchtete, die Rah könnte brechen und die Männer mit in die See oder an Deck reißen. Doch schließlich war das Großsegel geborgen, und Hayden atmete erleichtert auf.
    »Soll ich Sie an Deck vertreten, damit Sie in Ruhe essen können, Sir?«
    »Sehr nett von Ihnen, Mr Wickham. Wir müssen den Kurs beibehalten, um Ushant zu umschiffen, aber sobald wir die Insel hinter uns wissen, setzen wir Kurs auf Plymouth. Denn der Wind steht günstig, wenn er auch ein wenig zu stark ist.«
    »Wir werden nach Hause lenzen, Mr Hayden.«
    »Fuir devant le temps, Mr Wickham.«
    »Verzeihung, Sir?«
    »Das sagen die Franzosen für lenzen: fuir devant le temps. Vor dem Wind laufen.«
    »Wenn wir uns schon wie Franzosen kleiden, sollten wir auch ihre Sprache sprechen«, sagte der Midshipman in Französisch.
    Hayden begab sich unter Deck, entledigte sich des Ölzeugs und war zufrieden, als er sah, dass seine Kajüte mehr oder weniger trocken war. Schließlich zog er auch den französischen Uniformrock aus und schlüpfte wieder in die britische Uniform. Seine Epauletten schimmerten im matten Licht.
    Sorgfältig faltete er den scharlachroten Rock zusammen und legte ihn in die Truhe des ehemaligen Kapitäns. Kurz zögerte er noch und schloss dann den Deckel.
    »Bloß ein britischer Leutnant - wieder ohne Zukunft«, wisperte er und ging zu seinem Tisch.
    Das Hühnchen in Brandysauce mit eingelegten Champignons war kalt, wie auch alle Beilagen. Dafür hatte der französische Rotwein die perfekte Temperatur. Hayden genoss jeden Schluck - ein vollmundiger Bordeaux aus Paulliac, wie er vermutete, aus dem Vorrat des französischen Kapitäns. Als es klopfte, öffnete der Seesoldat vor der Kabine die Tür und ließ den Doktor eintreten.
    »Kommen Sie, Doktor, ein Glas von diesem hervorragenden Wein wird Ihren Wangen wieder etwas Farbe verleihen.«
    Griffiths sackte regelrecht auf einen Stuhl. Er nahm die Brille ab und drückte sich mit zwei Fingern auf die Nasenwurzel, die Lider fest geschlossen. Hayden schwieg und wartete, bis der Schiffsarzt die Augen wieder öffnete. Sie waren rot unterlaufen. Den Wein nahm er dankend entgegen.
    »Das muss ein harter Tag im Lazarett gewesen sein, Doktor.«
    »So schlimm habe ich es noch nie erlebt. Da Hart jedem Gefecht auswich, hatten wir es immer nur mit Verletzungen zu tun, die sich jemand bei der Arbeit auf dem Schiff zugezogen hatte. Heute aber ...« Fast hilflos hob er die Hand und nahm dann einen Schluck Wein. »Glauben Sie mir, Mr Hayden, wenn sich ein Mann nicht ergeben will, trägt er üble Verletzungen davon, ehe er überwältigt wird. Ich habe einen Mann verbunden, der mehr Schnitte und Stichwunden hatte, als ich

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