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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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herabfallenden Spiere zerquetscht. Ich werde bestimmt amputieren müssen, möchte damit aber noch warten, bis die Schwellung zurückgeht. Vielleicht kann der Fuß doch noch gerettet werden.«
    »Der arme Franks. Ich werde versuchen, ihn später zu besuchen, wenn ich kann. Erst muss ich meinen Rundgang zu Ende bringen, wenn Sie erlauben, Doktor.«
    Als er sich zum Gehen wandte, erblickte er einen Mann, der steif auf einem Stuhl saß, Kopf und das halbe Gesicht mit Verband umwickelt. Der Mann hob die sorgsam verbundene Hand zu einem schwachen Gruß.
    »Mr Muhlhauser?«
    Der Mann nickte. »Ich wurde Opfer meiner eigenen Erfindung, Mr Hayden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es meine Kanone war, die neben mir in die Wand feuerte. Und schauen Sie ...«, er deutete mit der gesunden Hand auf die Verbände, »... es war ein durchschlagender Erfolg.«
    »Das will ich glauben. Doch hoffentlich sind die Verletzungen nicht zu schwer?«
    »Nur Kratzer, Sir, danke der Nachfrage. Morgen bin ich wieder bereit, ein Geschütz zu bedienen, wenn Sie es verlangen.«
    »Wir wollen hoffen, dass das nicht erforderlich sein wird.« Hayden gewann den Eindruck, dass der Mann vom Waffenamt recht zufrieden mit seinen Blessuren war, um nicht zu sagen stolz auf seine Feuertaufe im Gefecht. Hayden verschwieg jedoch vorerst, dass Muhlhausers Erfindung im Gefecht zerstört worden war - oder besser gesagt sich selbst zerstört hatte, da sich das Metallgehäuse als zu brüchig erwiesen hatte, wie von vielen befürchtet.
    Kurz darauf ließ er den Bereich unter Deck öffnen, in dem die Franzosen gefangen gehalten wurden, und inspizierte auch dort die Schäden. Die Gefangenen sahen verängstigt und wütend aus, dachte Hayden. Er suchte nach einigen tröstlichen Worten auf Französisch, und die Männer blickten einander verdutzt an, als sie den Kommandanten in akzentfreiem Französisch sprechen hörten. Einige wisperten »traître«, ein anderer »renégat« - Abtrünniger. Hayden verließ den beengten Raum mit brennenden Wangen und konnte sich eben noch beherrschen.
    »Gut gemacht, Mr Chettle«, murmelte er dann, als sie die Leiter zum nächsthöheren Deck erklommen. »Schicken Sie die Männer an die Pumpen und informieren Sie den wachhabenden Offizier in regelmäßigen Abständen über den Wasserpegel. Ich werde an Deck sein.«
    Als Hayden den Niedergang verließ, wehte ihm bereits eine steife Brise um die Ohren. Die See schwoll an, die Schaumkronen brachen sich am Rumpf. Noch war es nicht völlig dunkel. Hayden erahnte noch den dunklen Rumpf der Themis, die einige Kabellängen entfernt war. Oben in den Fußpferden trafen die Toppgasten die letzten Vorbereitungen für den Sturm, während an Deck die Beiboote abgedeckt und Manntaue an der Reling gespannt wurden.
    »Wo ist unser Franzose, Mr Wickham?«, fragte er den Midshipman.
    Wickham deutete nach Südwest. »Ich kann ihn eben noch sehen, Sir. Hin und wieder flackert eine Laterne, wenn man genau hinsieht. Sie feuerte eine Kanone ab und gab Signale, als wir unter Segel gingen: ›Beidrehen.‹ Ich hielt es für ratsam, das Signal einfach zu ignorieren, Sir. Ich hoffe, ich habe meine Kompetenzen nicht überschritten.«
    »Ich hätte genau so entschieden. Bei dem aufziehenden Sturm und der Dunkelheit kann die Fregatte nicht viel ausrichten, aber wenn sie am Morgen immer noch an uns dran ist und der Wind nachlässt, könnte sie uns Schwierigkeiten machen.«
    Wickham schaute in die Dunkelheit und ließ den Blick schweifen. »Ich denke, dieser Wind wird uns bis nach England bringen. Können wir das durchstehen? Das ist nämlich meine Sorge. Wir haben so wenig Leute.«
    »Das mag stimmen, aber die Dragoon ist ein solides, noch junges Schiff, Mr Wickham. Beschädigt zwar, aber sie wird durchhalten.«
    »Ich bin mir sicher, dass Sie recht haben, Sir.«
    »Wie oft wechseln die Männer an den Pumpen?«
    »Jede Glocke, Sir. Aber leider fehlen uns die Männer bei all den anderen Aufgaben.«
    »Ich denke, wir sollten die Franzosen an die Pumpen stellen, Mr Wickham. Die Seesoldaten werden sie bewachen. Und die Männer sollen sich ruhig oft abwechseln, denn wir haben genug Gefangene, und ein wenig körperliche Betätigung dürfte ihnen gut tun.«
    »Aye, Sir.«
    Hayden stand eine Weile beim Steuerrad. Regen setzte ein und trommelte gegen seinen Rücken. Aus der Dunkelheit an Deck tauchte Perse auf und brachte Ölzeug. »Der Koch hat ein seltsames Essen für Sie zubereitet, Sir«, sagte der Junge in irischem Singsang.

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