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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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ums Leben gekommen sind, werden die vorsitzenden Richter schon dafür sorgen, dass niemand für den Verlust des Schiffes zur Rechenschaft gezogen wird. Die Tatsache, dass Hart durch sein Verhalten entscheidend zur Verärgerung und Unzufriedenheit der Besatzung beigetragen hat, wird mit keinem Wort erwähnt werden. Niemand wird sich dazu äußern dürfen, machen Sie sich drauf gefasst.«
    Hayden machte sich rechtzeitig auf den Weg zum Haus von Roberts Tante, da er auf keinen Fall zu spät zum Abendessen kommen wollte. Während ihres Aufenthalts in Plymouth wohnten Mrs Hertle und Miss Henrietta bei Lady Wilhelmina Hertle, Roberts Tante, worüber die alte Dame sehr froh war. Denn Lady Wilhelmina - besser bekannt als Tante Bill, was nicht an ihren maskulinen Gesichtszügen lag - war die Witwe des Admirals Sir Sidney Hertle, lebte seit Langem allein und kümmerte sich noch um eine kränkliche unverheiratete Cousine, mit der sie großes Mitleid hatte. Zu Lady Hertles großem Kummer waren all ihre Kinder vor ihr gestorben: eine Tochter bereits in jungen Jahren, eine andere an einem unbekannten Fieber. Und der einzige Sohn, Roberts älterer und viel bewunderter Cousin, war auf See gestorben, ein junger, aufstrebender Leutnant, dessen Karriere ein jähes Ende nahm, als der junge Mann ein Geschütz sichern wollte, das sich in einem Sturm losgerissen hatte.
    Hayden stellte zu seiner Erleichterung fest, dass er wieder in weitaus besserer geistiger Verfassung war, da er in Plymouth nicht nur die Hertles treffen würde, sondern auch die bezaubernde Henrietta Carthew. Sämtliche unerfreulichen Ereignisse und der ganze Groll der vergangenen Tage traten in den Hintergrund, als Hayden sich gedanklich auf angenehmere Angelegenheiten einstimmte.
    Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen der alten Lady Hertle, Robert Hertle und dessen Frau, aber auch Mrs Hertles Cousine Henrietta Carthew, waren ein wenig unübersichtlich. Admiral Sir Sidney Hertle war der älteste Bruder von Roberts Vater gewesen, also war Lady Wilhelmina Hertle Roberts angeheiratete Tante. Lady Hertles Vater aber hatte neben zahlreichen Kindern aus erster Ehe noch Nachkommen mit einer sehr viel jüngeren Frau gehabt. Von diesen Kindern heiratete eine Tochter einen gewissen Mr Carthew und schenkte so der liebenswerten Henrietta das Leben. Eine zweite Tochter heiratete Haydens Freund Robert Hertle. Robert und Elizabeth wussten lange nichts voneinander und begegneten sich im Alter von zwanzig Jahren eher zufällig auf einem ländlichen Fest.
    So kam es, dass zu Tante Bills Neffen und Nichten auch Robert, Elizabeth und Henrietta zählten.
    Die alte Dame lebte auf der Anhöhe über Plymouth Hoe in einem eleganten Haus mit Blick auf den Sund. Hayden hatte keine Schwierigkeiten, das Haus zu finden, und wurde an der Tür von einem Diener empfangen, der selbst früher als Kajütendiener des Admirals zur See gefahren war. Hayden reichte dem Bediensteten den Hut, als Robert Hertle aus dem Haus trat.
    »Charles, wir freuen uns, dass du dich von deinen Pflichten lossagen konntest. Bitte, komm herein. Tante Bill erwartet dich schon. Ich habe ihr von deiner letzten Fahrt erzählt, und jetzt ist sie sehr gespannt, dich kennenzulernen.«
    Tante Bill versetzte Hayden in Erstaunen, denn trotz ihres hohen Alters strahlte sie noch eine bemerkenswerte Vitalität und geistige Frische aus. Obwohl sie schon mehr als achtzig Jahre zählte, war ihr dunkles Haar nur von wenigen grauen Strähnen durchzogen, und man musste schon genauer hinsehen, als es die Höflichkeit gebot, um die feinen Linien um die Augen und den Mund der alten Dame erkennen zu können. Sie war groß, für Haydens Geschmack vielleicht etwas zu dünn, bewegte sich mit Anmut, und in ihrer ganzen Haltung lag etwas Militärisches. Ihre Augen waren klar, als sie Hayden musterte.
    »Lady Hertle«, begrüßte er sie und verbeugte sich. »Es ist mir eine große Freude, Sie endlich kennenzulernen.«
    »Und mich freut es, Ihre Bekanntschaft zu machen, Leutnant, obgleich es mich arg betrübt hat, als ich erfuhr, wie ungebührlich Sie von den Kommissaren der Lords behandelt wurden.«
    Da Hayden nicht für einen Griesgram gehalten werden wollte, lächelte er und tat den Ärger mit einer Handbewegung ab. »Ein paar Stürme ziehen bei jeder Fahrt auf, Lady Hertle. Ich kann mich nicht beklagen, wenn so viele vor mir mit den Unbilden des Wetters zu kämpfen hatten.«
    »Aber Stürme sind Gottes Werk, Mr Hayden, und dienen daher einem

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