Unter feindlicher Flagge
Kontrolle. »Ohne Ihre wohlüberlegten Beobachtungen würde unserem kleinen Zirkel wirklich etwas fehlen«, fügte sie schnell hinzu.
»So freundlich hat schon lange keiner mehr mit mir gesprochen.«
»Wie es scheint, weiß die Navy Ihre Fähigkeiten nicht richtig zu würdigen, Mr Hayden.«
Hayden befürchtete, seine Reaktion auf diese Bemerkung nicht gut genug verbergen zu können. »Das habe ich auch oft gedacht«, gestand er leise. Inzwischen waren sie beim Steuerrad angekommen, und Hayden fragte bewusst laut, damit man seine Stimme auch durch das Oberlicht hören konnte: »Sollen wir zu Kapitän Hertle und seiner Frau gehen?«
»Nichts wäre mir lieber«, erwiderte Henrietta beinahe ebenso laut.
Sie scherzten und gingen bewusst laut den Niedergang hinunter, ehe Hayden an die Kajütentür klopfte und öffnete.
»Ist dies Ihre Kabine, Mr Hayden?«, fragte Henrietta und schaute sich anerkennend und sogar erstaunt um. »Sie ist viel geräumiger, als ich dachte.«
»Es ist nicht meine Kabine, wie ich zu meinem Bedauern gestehen muss, sondern die des Kapitäns. Ich benutze sie nur, da er das Schiff verlassen hat und ich somit der ranghöchste Offizier an Bord der Themis bin.«
»Es müsste eigentlich Mr Haydens Kabine sein«, sagte Mrs Hertle mit Überzeugung. »Ich bin mir sicher, dass du bald so eine Kabine haben wirst, Charles.«
Hayden machte bei diesem Kompliment eine kleine Verbeugung, merkte aber dann, dass sein Freund eine recht düstere Miene aufgesetzt hatte.
»Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte er.
Robert hielt eine Ausgabe der Times in der Hand. »In die Times der letzten beiden Tage hast du vermutlich noch nicht geschaut?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Ich auch nicht. Meine Frau brachte sie mit. Vielleicht sollten wir uns alle setzen und Tee zusammen trinken.«
Der Diener hatte ein weißes Tischtuch auf den Tisch gelegt, das beste Porzellan aus der Offiziersmesse geholt und Tee bereitet.
Aufmerksam übernahm Henrietta es, den anderen Tee einzuschenken, was Hayden ungemein gefreut hätte, wenn Roberts Stimmung nicht so betrübt gewesen wäre.
Robert Hertle schlug die Zeitung auf und schüttelte die Seite einmal aus, damit die gröbsten Knicke verschwanden. »Erlaube mir, die weitschweifige Einleitung auszulassen«, begann er und las dann vor. »Es mag kaum eine ereignisreichere Fahrt als die des Schiffes Seiner Majestät Themis gegeben haben, einer Fregatte mit zweiunddreißig Geschützen, die vergangenen Monat mit dem Auftrag in See stach, den Feind entlang der Atlantikküste zu bedrängen. Unter dem Kommando von Kapitän Josiah Hart begann die Fahrt der Themis mit der Eroberung eines Handelsschiffes unmittelbar vor der Hafeneinfahrt von Brest, obwohl die Themis unter Dauerbeschuss der Küstenbatterien stand, von Kanonenbooten verfolgt wurde und sich zwei französischen Fregatten gegenübersah, die dort vor Anker lagen. Zeuge des gesamten Unterfangens wurde Kapitän Bourne von der Fregatte Tenacious , der mit den Worten zitiert werden darf: ›Diese Heldentat zeugt von großer Tapferkeit und taktischer Finesse, der jeder wahre Seemann nichts als Bewunderung entgegenbringen kann.‹
Wenige Tage später wurde der tapfere Kapitän Hart von dem fähigen Bourne um Hilfe ersucht, der vier Frachtschiffe, eine Brigg und eine Fregatte bis zur Belle Ile gejagt hatte, wo sie im Schutz der Batterien vor Anker lagen. Die beiden furchtlosen Kommandanten, die sich nicht von ein paar Landgeschützen beeindrucken ließen, arbeiteten gemeinsam einen Plan aus, um die feindlichen Schiffe zu stellen. Mit der Unterstützung der Lucy, einer älteren Brigg mit zwanzig Kanonen unter dem stellvertretenden Kommandanten Leutnant Harold Philpott, hielten die beiden Fregatten bei Einbruch der Dämmerung auf die Franzosen zu. Da der umsichtige Hart einen französischen Infanteristen beobachtete, der an Bord einer der feindlichen Fregatten kurz an Deck erschien und sogleich wieder von einem Offizier zurückgejagt wurde, schlussfolgerte er, dass heimlich Landtruppen aus der Garnison von Belle Ile an Bord gebracht worden waren, die nur darauf warteten, das britische Enterkommando zu überraschen. Sofort signalisierte Hart, der die französische Fregatte nicht vor der Tenacious erreichen konnte, der Lucy und beorderte sie als Unterstützung zu Kapitän Bourne. Ohne diese Hilfe zur rechten Zeit, so bekannte Bourne später, wäre die Tenacious überwältigt, wenn nicht gar versenkt worden. Doch gemeinsam mit der Lucy brachten
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