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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Kohlen.
    Lady Hertle verstand sich auf die Kunst der Konversation bei Tisch und stellte unter Beweis, dass sie mit einem hohen Offizier der Navy verheiratet gewesen war. Denn sie wusste viel über die Kommissare der Lords und andere Admiräle zu berichten - mehr als Hayden je zu erfahren gehofft hatte. Als schließlich auch Harts Name fiel, lenkte die alte Dame das Gespräch taktvoll auf ein anderes Thema.
    Wie Mrs Hertle und Henrietta war auch Lady Hertle sehr belesen und sprach kenntnisreich über Dichtkunst, die Stücke Shakespeares und römische Geschichtsschreiber. In ihrer Jugend hatte sie ihren Gemahl stets begleitet, wenn er eine neue Stellung erhielt, die sein diplomatisches Geschick ebenso forderte wie sein militärisches. Sie liebte das Reisen. Daher bat sie Hayden und Robert, von all den Orten zu erzählen, an denen sie schon gewesen waren. Und das waren nicht gerade wenige, wenn man die Karrieren der Männer in Betracht zog.
    Hayden musste bei den Augen der alten Dame an die See denken. Einen Moment lang schillerte sie, dann jedoch verdunkelte sie sich in einem Anflug von Traurigkeit, doch ebenso schnell hellte sich ihr Blick wieder auf, wenn sie lachte.
    Hayden befürchtete, dass seine Konversation eher langweilig war und den nötigen Witz vermissen ließ, doch falls es stimmte, so schien das niemanden zu stören. Im Gegenteil, er hatte sogar das Gefühl, dass Henrietta jedem seiner Worte genau zuhörte.
    Hayden dachte, dass sich die Familie Hertle bewusst über gesellschaftliche Konventionen hinwegsetzte, was sie daher zu Geistesverwandten der Carthews machte. Ihm fiel aber auch auf, dass Henrietta der alten Dame großen Respekt entgegenbrachte. Bei manchen Gesprächsthemen hielt sie sich nur mit Mühe mit ihrem überragenden Wissen zurück und wählte ihre Worte mit Bedacht, sodass es zu keinen großen Meinungsverschiedenheiten kam.
    Nachdem man über die römischen Geschichtsschreiber diskutiert hatte, kam die Tischgesellschaft auf die republikanische Staatsform zu sprechen und spannte den Bogen von den Wurzeln im alten Griechenland bis zum gegenwärtigen Amerika und den Irrwegen, die man jenseits des Kanals eingeschlagen hatte.
    »Wussten Sie schon«, sagte Hayden, »dass ich an Bord der Themis einen Vollmatrosen habe, der, glaube ich, jedes Buch oder Pamphlet verschlungen hat, das ihm in die Finger gekommen ist? Er las all die medizinischen Bücher des Schiffsarztes wie auch die Schriften von Burke und dieses Paine. Bei den Midshipmen, die ihre Unterkunft zu einer Art Debattierclub gemacht haben, genießt dieser Vollmatrose hohes Ansehen. Und wenn sie von ihm sprechen, sagen sie wie selbstverständlich Mister, was allein schon von ihrem Respekt zeugt.«
    Lady Hertle schien das sehr zu freuen. »Oh, diesen Mann würde ich gern kennenlernen«, sagte sie zu Haydens Erstaunen. »Wird er bald zum Deckoffizier ernannt, Mr Hayden? Admiral Hertle war immer der Auffassung, dass die besten Offiziere ihre Karrieren vor dem Mast begonnen haben.«
    »Mehrere Offiziere haben diesen Mann schon als Maat des Masters oder Bootsmanns vorgeschlagen, aber er lehnte immer ab, da er, wie er mir einmal sagte, keine Gewalt über andere ausüben will. Wie Sie sehen, glaubt er an die Gleichheit des Menschen, und sein größter Wunsch ist es, eines Tages in Amerika leben zu können.«
    »Er war doch hoffentlich nicht einer der Meuterer?«, erkundigte sich Lady Hertle.
    »Keineswegs. Er nutzte die Achtung, die er bei den anderen Matrosen genoss, und verhinderte, dass die anderen Offiziere ausgepeitscht wurden. Da hatte Hart allerdings schon das Schicksal ereilt. Übrigens war es auch Mr Aldrich, denn so heißt er, der einen jungen Burschen daran hinderte, das Pulvermagazin an Bord der Themis zu sprengen. Eine ungemein mutige Tat, deren Zeuge ich selbst war.«
    »War es nicht auch dieser Aldrich, den Hart auspeitschen ließ wegen des Besitzes von Mr Paines Pamphlet?«, fragte Robert.
    »Stimmt, obwohl niemand an Bord die Bestrafung für gerechtfertigt hielt, was den Groll und die Unzufriedenheit der Mannschaft nur noch weiter anwachsen ließ. Denn Aldrich war bei fast allen beliebt, abgesehen vielleicht bei denen, die neidisch auf seine Bildung waren oder es nicht ertragen konnten, dass er von so vielen geachtet wurde.«
    »Sobald ein Mensch Talent hat, wenn auch in bescheidenem Maße«, sagte Lady Hertle, »so gibt es irgendwo Neider. Wie viele berühmte Menschen mussten sich anderer erwehren, die ihnen in allen Belangen

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