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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Gäste und ließen Hayden, der von der Reling aus der Gig nachschaute, auf der Themis zurück. Kurz darauf stieg Mr Barthe an Deck. Er hatte die Aufsicht gehabt, als der Ballast von mehreren Tonnen Kieseln weiter nach achtern verlagert wurde, damit das Schiff bei der nächsten Ladung nicht mehr auf ebenem Kiel, sondern etwas achterlastiger schwamm. Hayden lud den Master in die Große Kabine und breitete die verhasste Zeitung vor ihm auf dem Tisch aus.
    Während der Master die Zeilen las, färbte sich sein Hals rot. Die Röte stieg ihm in die Wangen und nahm weiter an Intensität zu, je mehr Sätze er las, bis sein Gesicht schließlich vor Zorn glühte wie ein überhitzter Ofen. Seine Hände begannen zu zittern, sodass das Zeitungspapier raschelte.
    Dann schlug er mit der Zeitung auf den Tisch und machte seinem aufgestauten Zorn Luft, wobei er zunächst nur schnaufte und dann extreme Flüche ausstieß: »Dieser kleinmütige Duckmäuser, dieser schamlose Ziegenbesteiger, dieser ...« Aber selbst dem Master fehlten letzten Endes die Worte, um den Charakter und die Boshaftigkeit eines Mannes wie Hart angemessen zu beschreiben.
    Es dauerte einen Moment, bis der beleibte Master nach seinem Wutausbruch wieder einigermaßen zur Ruhe kam und zwischen weiteren, diesmal etwas milderen Flüchen zur Sprache zurückfand.
    »Noch nie in meinem ganzen Leben, das können Sie mir glauben, Mr Hayden, noch nie in meinem Leben habe ich eine solche Anhäufung von unverschämten Lügen gelesen! Man müsste Hart dafür noch einmal auspeitschen, den alten Furzfänger!« Doch nun redete er sich nicht mehr in Rage, und allmählich wich die ungesunde Röte aus seinem Gesicht.
    »Sie beleidigen den ehrenwerten Berufsstand des Leibdieners«, sagte Hayden schmunzelnd, denn der Ausdruck »Furzfänger« war eine derbe Bezeichnung für den Diener eines Gentleman, da der Diener für gewöhnlich immer hinter seinem Herrn ging. »Sie vermuten, dass Hart selbst hinter diesem Bericht steckt, nicht wahr? Das Ganze könnte aber auch von einem miesen Schreiberling aus der Fleet Street zusammengebraut worden sein, der sich auf Gerüchte stützte.«
    »Nehmen Sie unseren glorreichen Kommandanten nicht in Schutz, Mr Hayden«, spottete Barthe. »Hart selbst oder einer seiner Speichellecker hat diesen Bericht irgendeinem Schurken bei der Times zugespielt.« Er zeigte auf einen Absatz. »Sehen Sie das? Hier wird Bourne zitiert, und gehen wir einmal davon aus, dass dies wirklich die Worte des Kapitäns sind, so können sie nur aus den Kreisen der Admiralität stammen. Nein, Hart wollte zuerst seine Breitseite abfeuern, ehe das Kriegsgericht seine Geschütze ausrennt. Jetzt wird es schwieriger, einen Mann schuldig zu sprechen, der in der Presse als Held gefeiert wird. Einen Kapitän Sir Josiah Hart wird man von jeglicher Verantwortung beim tragischen Verlust des Schiffes freisprechen. Mehr noch, man wird ihn für seine unvermuteten Heldentaten preisen, obwohl er ein Leben lang nichts als Feigheit an den Tag legte. Dieser verfluchte, ängstliche Zuchtmeister! Wenn ich nur daran denke, dass er nun den Ruhm für all Ihre Unternehmungen erntet, Mr Hayden! Sie waren es, der das Frachtschiff vor Brest aufbrachte, während Hart aus lauter Feigheit die Boote zurückrief. Und Hart hat ganz gewiss nicht den Infanteristen an Bord der Dragoon entdeckt. Ich stand neben ihm auf dem Quarterdeck und musste mir anhören, wie unverschämt und respektlos er über Sie sprach! Er stellte Sie fast als Feigling hin, weil Sie Bourne zu Hilfe eilten.«
    »Trotzdem handelt es sich hier nur um einen Zeitungsartikel, Mr Barthe. Niemand schenkt solchen Berichten groß Glauben, da die Artikel allzu oft ungenau sind.«
    »Ich würde mich freuen, wenn ich Gelegenheit bekäme, mich an die Herren bei Gericht wenden zu können, denn mein Logbuch ist genau geführt und mein Gedächtnis ist immer noch gut. Darauf können Sie sich verlassen. Spätestens dann wird Hart bloßgestellt, wenn auch vielleicht nicht in der öffentlichen Meinung.«
    »Verlassen Sie sich nicht darauf, Mr Barthe. Erinnern Sie sich an das Kriegsgericht, vor dem Kapitän Bligh stand? Die Kapitäne, die für die Urteilsfindung zusammenkamen, wollten nur bestätigt wissen, dass sich jeder Offizier und jedes Besatzungsmitglied den Meuterern so gut es eben ging widersetzt hatte. Und obwohl offenbar niemand Widerstand geleistet hatte, wurden alle freigesprochen. Wenn man bedenkt, wie viele Männer während der Meuterei auf der Themis

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