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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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hatte die Dame des Hauses deswegen die Meinung des jungen Kapitäns einholen wollen.
    Lady Hertle blickte auf das Porträt ihres Mannes, das ihn in seinem fünfzigsten Jahr zeigte: ein ansprechender Gentleman mit rundem Gesicht und vollen Lippen. Hayden hatte bei dem Anblick das Gefühl, dass der Admiral kurz davor war, in Lachen auszubrechen, oder zumindest im Begriff war, einen Scherz zu machen.
    »Weißt du, Elizabeth, es ist viel besser, wenn die Liebe einen unvermutet erfasst«, sagte die alte Dame. »Ich kannte den Admiral schon mehrere Jahre, da er oft bei uns zu Hause zu Besuch war, aber nie hätte ich gedacht, dass zwischen uns etwas anderes sein würde als das aufgeschlossene Interesse, das junge Menschen einander entgegenbringen, die sich oft treffen. Daher war es eine Überraschung für mich, als ich merkte, dass ich oft an ihn denken musste. Ich spürte diesen ›Gezeitenwechsel‹ in unseren Gefühlen noch vor dem Admiral und musste erst noch warten, bis auch er es für sich erkannte, was glücklicherweise nicht allzu lange dauerte. Ich muss sagen, dass Männer, die den Feind ohne zu zögern angreifen, sehr oft furchtbar unentschlossen sind, wenn es darum geht, die Gefühle einer Dame zu ergründen. Doch letzten Endes fand er dann doch die richtigen Worte, und noch heute erfüllt es mein Herz mit Freude, wenn ich daran denke.« Einen Moment lang sah es so aus, als schaue sie voller Wehmut zurück in eine längst vergangene Zeit, ehe sie fortfuhr.
    »Es ist ganz etwas anderes, wenn du denkst, in jemanden verliebt zu sein, den du gerade erst kennengelernt hast. Dann flattert dein Herz, du weißt nicht, was du sagen sollst, und gibst törichte Antworten auf die einfachsten Fragen. Man lebt und stirbt bei jedem Wort und sucht in jedem Blick und jedem Satz nach Anzeichen, dass die Gefühle auch erwidert werden.« Sie machte eine Handbewegung, als wolle sie einen unliebsamen Gedanken verscheuchen. »Würden Sie mir da zustimmen, Leutnant? Ist es nicht viel schöner, wenn man feststellt, dass man sich in eine junge Frau verliebt hat, die man schon eine Weile kennt, als in eine völlig fremde Person, deren ganzes Wesen man nur vom Hörensagen kennt?«
    »Ich denke, Sie haben vollkommen recht, Lady Hertle, aber man muss die Liebe so nehmen, wie sie kommt. Obwohl ich in solchen Angelegenheiten wahrlich kein Experte bin.«
    Die alte Dame sah ihn ein wenig überrascht an. »In Ihren Worten liegt viel Weisheit, Leutnant. Glauben Sie mir, Sie sind voller Überraschungen.« Zu den anderen gewandt, sprach sie: »Wer spielt nun heute Abend? Meine Finger sind geschwollen und steif. Meine liebe Elizabeth, möchtest du deiner Tante nicht ein wenig vorspielen? Ich habe das Pianoforte gerade stimmen lassen.«
    Elizabeth spielte tatsächlich vor und begleitete dann Henrietta beim Gesang. Danach trugen die beiden jungen Frauen auf Drängen der alten Dame hin ein fröhliches Duett vor, das voller Fehler war, aber zur Erheiterung aller beitrug. Schließlich erfreute Henrietta die kleine Gesellschaft mit zwei schönen Arien. Ihr kräftiger Sopran erfüllte den Salon. Hayden glaubte, dass die junge Frau ganz in der herrlichen Musik aufging - ja, sich förmlich mitreißen ließ -, und dennoch lebte sie die in den Melodien hervorgerufenen Gefühle nicht übertrieben aus und blieb stets innerhalb der Regeln, die bei einer ausdrucksvollen Darbietung dieser Art als gesittet empfunden wurden.
    »Du bist mit dem Herzen dabei, meine Liebe«, lobte Lady Hertle die junge Frau, als die Lieder verklungen waren. »Mit ganzem Herzen.«
    Für Haydens Empfinden verging der Abend viel zu schnell, und bald verabschiedete er sich von der kleinen Runde. Als die anderen ihre Aufmerksamkeit gerade einem kleinen Hund schenkten, der zufällig in den Salon flitzte und von einem aufgelösten Dienstmädchen verfolgt wurde, das sich mehrmals für die Störung entschuldigte, obwohl alle fröhlich lachten, trat Mrs Hertle an Hayden heran und sagte leise: »Dir ist doch hoffentlich nicht die Moral der Geschichte meiner Tante entgangen? Von dem Werben um sie, meine ich.«
    »Du meinst, dass man eine Frau heiraten soll, die man schon so lange kennt wie die eigene Schwester?«
    »Oh, warum müssen Männer immer so begriffsstutzig sein?«, schimpfte sie und ging dann zu den anderen, die sich über den kleinen Terrier amüsierten. Inzwischen war er Lady Hertle in die Arme gesprungen und wollte sich gar nicht beruhigen lassen.
    Hayden, dessen Abschied von dem

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