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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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des Windes ab und schaute zum Himmel hinauf. Der offene Sund war immer schon ein schwieriger Ankerplatz gewesen, sodass man stets ein wachsames Auge auf das Wetterglas und die atmosphärischen Änderungen haben musste. Doch seiner Einschätzung nach war der Abend relativ ruhig und würde wohl vorerst so bleiben.
    Das leise Knarren der Terrassentür erregte seine Aufmerksamkeit, doch statt seines Freundes, mit dem er eigentlich gerechnet hatte, trat Henrietta ins Freie und zog ein Tuch enger um ihre Schultern.
    »Niemand kümmert sich um Sie, Mr Hayden. Wie unaufmerksam von uns.«
    »Keineswegs, Miss Henrietta. Robert wurde eben erst hineingerufen, und seither beobachte ich das Wetter - eine Obsession bei Seeleuten.«
    »Und, sind Sie mit dem Wetter zufrieden?«
    »Durchaus, auch wenn die Nacht ein wenig wärmer sein dürfte, obwohl es für die Jahreszeit nicht unnatürlich kühl ist.«
    Sie trat neben ihn an die Balustrade und genoss den herrlichen Blick, ehe sie hinaufschaute zu den hellen Sternen. »Werden Sie schon bald wieder auf See sein?«, wollte sie wissen.
    »Das ist alles noch nicht sicher. Erst wird ein Kriegsgericht stattfinden, und dann - hm - meine Aussichten in der Navy Seiner Majestät sind nicht halb so günstig wie Roberts.«
    Sie schlang das Tuch noch einmal um ihre Schultern und sah Hayden an. Der Anblick ihrer schönen Augen raubte ihm für einen Moment den Atem. »Das bedrückt Sie sehr, wie ich festgestellt habe.«
    »Ich fürchte, es bedrückt mich mehr, als mir lieb ist. Ich hoffe nur, dass sich meine schlechte Laune nicht auf Sie übertragen hat.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es geht um Ihre Karriere. Da ist es doch verständlich, wenn Sie sich Gedanken machen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich bekenne, ich wäre um einiges glücklicher, wenn meine Zukunft sicherer wäre.«
    »Geht uns das nicht allen so?«, sagte sie mit großem Einfühlungsvermögen. »Dann will es die Pflicht, dass Sie noch vierzehn Tage in Plymouth bleiben?«
    »Oder länger. Das Kriegsgericht wird erst dann einberufen, wenn sich Kapitän Hart wieder ganz erholt hat. Und wie ich hörte, geht der Genesungsprozess nicht recht voran.«
    »Nach allem, was Robert mir erzählt hat, ließ Kapitän Hart schnell Leute auspeitschen, ob sie nun schuldig waren oder nicht. Insbesondere einem Menschen hat er Unrecht getan. Dass er nun das zu spüren bekommen hat, was er so rasch anderen angetan hat, ist eine ungewöhnliche Gerechtigkeit, möchte ich sagen.«
    Hayden war überrascht, wie emotional Henrietta sprach. »Ja, aber offensichtlich soll ihm die Erhebung in den Ritterstand ein Trost sein.«
    Henrietta setzte ein bitteres Lächeln auf, wobei sie ihre volle, weiche Unterlippe ein wenig nach unten zog. »Auch wenn Sie meinen, dass Sie kaum noch Aussichten in der Navy haben, so bin ich doch überzeugt davon - und in meinen Voraussagungen liege ich nur selten falsch -, dass Sie das Kommando über ein Schiff bekommen werden. Die Navy wird gezwungen sein, Ihre Fähigkeiten anzuerkennen, Leutnant.«
    »Ich hoffe, dass Sie recht behalten, Miss Henrietta, aber ich wusste nicht, dass Sie das Talent besitzen, die Zukunft vorauszusagen.«
    Sie schenkte ihm ein reizendes Lächeln. »Nein, das kann ich natürlich nicht, aber von Zeit zu Zeit bin ich mir absolut sicher, dass sich die Dinge in dieser oder jener Weise ereignen werden. Und zu meinem Stolz stelle ich fest, dass ich recht oft richtig liege.«
    Hayden bekräftigte noch einmal, er hoffe, dass sie recht behielt, und kam sich sofort töricht vor. Einen Augenblick lang herrschte eine fast angespannte Stille.
    »Vielleicht sollten wir wieder zu den anderen gehen«, sagte Henrietta leise und gab Hayden das Gefühl, er habe etwas Unpassendes gesagt. Dabei wusste er nicht, was er falsch gemacht haben könnte.
    Als er ihr die Tür aufhielt, damit sie vor ihm eintreten sollte, zögerte sie kurz und sagte: »Dann dürfen wir hoffen, dass Sie uns bald wieder besuchen, Leutnant Hayden?« Schnell fügte sie hinzu: »Ich bin mir sicher, dass Lady Hertle sehr erfreut sein würde.«
    »Nichts würde ich lieber tun«, bekannte er offen und war augenblicklich erleichtert. Denn was er auch immer Unpassendes gesagt haben mochte, es konnte nicht so schlimm gewesen sein, wenn Henrietta ihn erneut einlud.
    Im Haus trafen sie Robert, der gerade den Bediensteten dabei zusah, wie sie das Gemälde, auf dem das weite Meer zu sehen war, gegen ein Ölporträt des Admirals austauschten. Offenbar

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