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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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zweifelsohne viele Fragen stellen müssen. Aus diesem Grund muss Ihnen klar sein, dass Sie bei den wesentlichen Punkten einer Meinung sind: Ort und Zeit des Geschehens. Wer war beteiligt? Was genau trug sich zu? Wer waren die Rädelsführer, wer die ersten Opfer? Wie kam es dazu, dass Sie in den Booten ausgesetzt wurden? In Ihren Berichten brauchen Sie nicht auf die Umstände Ihrer Rettung einzugehen. Das interessiert das Kriegsgericht nicht.« Er machte eine Pause und schaute sich schnell in der Runde um. »In einem Punkt ist es von besonderer Wichtigkeit, dass Sie sich alle einig sind, denn wenn nicht, werden Fragen folgen, bei denen sich viele von Ihnen sehr unwohl fühlen werden. Sie müssen alle aussagen, dass es keine Anzeichen für eine Meuterei gab. Und das sage ich aus einem ganz bestimmten Grund. Sollten Sie geahnt haben, dass es zu einer Meuterei kommen könnte, dann werden die Kapitäne des Gremiums von Ihnen wissen wollen, warum keine Maßnahmen ergriffen wurden, die Meuterei im Keim zu ersticken. Auf diesen Punkt kann ich Sie gar nicht oft genug hinweisen. Auch in Gegenwart von Sir Josiah habe ich mich klar ausgedrückt: Sie alle müssen beteuern, dass Sie nichts von einer bevorstehenden Meuterei wussten. Sie nahmen keine aufrührerischen Tendenzen bei Teilen der Mannschaft wahr, kein Besatzungsmitglied bediente sich aufrührerischer Ausdrücke. Wenn Sie andere Aussagen machen, dann prophezeie ich Ihnen, dass es zu Fragen kommen wird, die sich letzten Endes auch auf Ihre Karrieren in der Royal Navy auswirken werden. Damit wäre niemandem geholfen, denn ich gehe davon aus, dass jeder an Bord von der Meuterei überrascht war. Sehe ich das richtig?«
    Einen Moment lang herrschte eine drückende Stille, doch dann nickten einige der Anwesenden und murmelten ihre Zustimmung. Einige wenige jedoch starrten den Anwalt düster an.
    Sir Hubert Chatham befand es nicht für nötig, sich noch weiter in diesem Punkt auszulassen, sondern nahm seinen Hut und war rasch wieder verschwunden. Als die Tür ins Schloss fiel, sahen die Männer am Tisch einander sprachlos an.
    »Der verfluchte Sir Josiah Hart«, entfuhr es Barthe, während die anderen leise Verwünschungen ausstießen oder nur ungläubig den Kopf schüttelten.
    »Ich für meinen Teil kann nicht sagen, dass es Hinweise auf eine meuternde Mannschaft gab«, sagte Franks. »Da sind Sie doch meiner Meinung, Mr Hawthorne? Denn wenn wir einen Verdacht gehabt hätten, dann hätten Sie zusätzliche Wachen aufstellen lassen. Und die Waffen hätten wir in die Kajüte gebracht.«
    Der Leutnant der Seesoldaten nickte finster. »Sosehr es mir auch widerstrebt, Hart in irgendeinem Punkt zu unterstützen, ich fürchte, der Anwalt hat recht - wir wurden alle ausgebootet, und wenn wir jetzt nicht zusammenhalten, werden wir alle untergehen.«
    »Es dürfte Kapitän Hart sicherlich zupass kommen, wenn wir alle einer Meinung sind«, sagte Barthe in bitterem Ton. »Denn eins ist sicher, er will um jeden Preis verhindern, dass sein Part in dieser Sache herauskommt.«
    »Ich weiß nicht, ob Sie die Bedeutung von Sir Huberts Worten ganz erfasst haben, Mr Barthe, wenn ich das so sagen darf.« Der Doktor taxierte den Master mit einem nüchternen Blick. »Wenn Harts Ruf durch dieses Kriegsgericht ruiniert wird - und Gott weiß, dass es so kommen müsste -, dann wird er alles daransetzen, seinen Offizieren nachhaltig zu schaden. Mr Archer, Mr Hawthorne, vielleicht sogar Mr Hayden. Und bei Ihnen wird er gewiss keine Ausnahme machen, Mr Barthe. Unterschätzen Sie nicht, wie rachsüchtig Kapitän Hart sein kann. Wenn Sie sich vornehmen, seine Unzulänglichkeiten offenzulegen, dann sollten Sie daran denken, was so eine Maßnahme für Sie und Ihre Kameraden bedeutet.«
    »Mr Hayden?« Midshipman Hobson streckte den Kopf durch die Tür.
    Der Erste Leutnant saß am Tisch der Offiziersmesse und las, was die gewöhnlichen Besatzungsmitglieder über die Meuterei geschrieben hatten. Genauer gesagt hatten sie es den Matrosen vor dem Mast diktiert, da die wenigsten Seeleute schreiben konnten.
    Archers Bruder, der am Vortag aus London gekommen war, hatte die Verteidigung der Offiziere übernommen und gab manch einen Rat, als die Herren ihre Berichte abfassten. Da Hayden viele Ratschläge des Anwalts gehört hatte, benutzte er die wertvollen Informationen, um den Matrosen zu helfen, von denen kaum einer in der Lage war, sich selbst zu verteidigen. Auch Aldrich und der junge Perse hatten viele Berichte

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