Unter feindlicher Flagge
befehligten - Vierundsiebziger und größer. Sie hatten etwas Majestätisches und besaßen eine beinahe Furcht einflößende Autorität. Diese Männer waren es gewohnt, Befehle zu geben, die über Leben und Tod entschieden. Gewiss würden sie nicht zögern, eine Hinrichtung anzuordnen, wenn sie es für gerechtfertigt hielten.
Der Rechtsoffizier erhob sich und verkündete den Zweck des Kriegsgerichts: »... um den Anlass und die Umstände zu untersuchen, die zur Übernahme des Schiffes Seiner Majestät Themis führten, das unter dem Kommando von Kapitän Sir Josiah Hart stand, und gegen den besagten Kapitän Hart und die Offiziere und Besatzungsmitglieder zu verhandeln, die bei diesem Vorfall zugegen waren.«
Der erste Mann, der aufgerufen wurde, war Hart selbst. Als er vortrat und links von dem Rechtsoffizier stand, wurde es still im Raum. Alle beugten sich auf ihren Plätzen leicht vor. Hart sah blass und gealtert aus, dachte Hayden. Seine Haut war schlaff. Er stützte sich schwer auf einen Gehstock und schien Schmerzen zu haben.
»Gibt es da nicht irgendwo einen Stuhl für Sir Josiah?«, fragte einer der Kapitäne des Gremiums. »Der Kapitän ist gesundheitlich angeschlagen.«
Ein Gerichtsdiener kam der Bitte eilfertig nach, woraufhin sich Hart mit seinem ganzen Gewicht auf den Stuhl sinken ließ. Er achtete jedoch genau darauf, nicht mit dem Rücken an die Lehne zu kommen.
»Wenn das Gericht es gestattet«, begann er mit dünner Stimme, »möchte ich die Bitte vorbringen, dass mein Anwalt Sir Hubert Chatham meine Aussage vorliest, da ich noch unter der Misshandlung und den Strapazen der letzten Tage leide.«
Auch dies erlaubte das Gremium, sodass Sir Hubert vortrat. Zunächst bedankte er sich bei den Richtern für ihre Nachsicht und verlas dann mit klarer Stimme Harts Bericht, der nach Haydens Dafürhalten gewiss zum größten Teil aus der Feder des Anwalts stammte.
»Herr Vorsitzender, meine Herren, kürzlich hatte ich die Ehre, das Kommando über das Schiff Seiner Majestät Themis zu erhalten, über eine Fregatte mit zweiunddreißig Geschützen, die von den Kommissaren der Lords den Auftrag erhielt, dem Feind entlang der Atlantikküste zuzusetzen und die Stärke der französischen Flotte in möglichst vielen Häfen zu ermitteln. Unsere Fahrt begann am 23. September. Wir verließen Plymouth bei heftigem Wind aus Südost und suchten zunächst Schutz in Torbay. Als das schlechte Wetter nachließ, hielten wir auf die französische Küste zu, wo wir in der Einfahrt zum Hafen von Brest das große Glück hatten, ein feindliches Handelsschiff aufzubringen, während wir die Stärke der Flotte abschätzten.
Auf unserer weiteren Fahrt nach Süden, am 5. Oktober, taten wir uns mit Kapitän Bourne von der Tenacious zusammen, einem Gentleman, der, wie Sie sicher wissen, in einem untadeligen Ruf steht. Mein Schiff beteiligte sich daraufhin an der Eroberung der französischen Fregatte Dragoon, die unterhalb der Batterien von Belle Ile vor Anker lag. Mein Erster Leutnant erhielt das Kommando über die Prise und hatte den Befehl, zurück nach Plymouth zu segeln, sodass er und einige andere Männer zurzeit der Meuterei nicht an Bord der Themis waren. Am sechsten Oktober, gegen sieben Glasen der Mittelwache, wachte ich auf, als jemand heimlich meine Kajütentür öffnete. Drei Männer - einer hielt eine Laterne in der Hand, die anderen waren bewaffnet - betraten meine Kajüte und befahlen mir unter Androhung von Gewalt, die Koje zu verlassen und fortan ihren Anweisungen zu folgen. Da ich nur mein Nachtgewand trug, gestattete man mir, meine Hose anzuziehen, ehe ich gefesselt wurde und mich auf den Boden der Kajüte legen musste, bewacht von zwei Mann. In diesem Moment vernahm ich lautes Rufen an Deck, überlagert von Schüssen. Für kurze Zeit hörte ich, dass es in der Offiziersmesse unmittelbar unter meiner Kajüte zu einem Gefecht gekommen war. Schließlich wurde auch oben auf dem Quarterdeck gekämpft. Bei diesen Geräuschen wagte ich wieder zu hoffen und versuchte, noch einmal an die Vernunft der beiden Wachen, Dundas und Clark, zu appellieren. Ich sagte ihnen, ich würde dafür sorgen, dass sie straffrei ausgingen, wenn sie mich losbänden. Doch obwohl sie zögerlich dreinblickten, riefen sie nur, ich solle den Mund halten, und drohten mir, sie würden mir sonst die Zunge herausschneiden.
Bald waren die letzten Schüsse aus der Offiziersmesse verhallt, und auch an Deck war dann nichts mehr von einem Kampf zu hören.
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