Unter feindlicher Flagge
Raum verließ. Seine stumpfen Haare spielten ins Braune, seine Gesichtszüge waren weder schön noch hässlich, er war mittelgroß, nicht unbedingt kräftig gebaut, aber auch nicht mager. Fast hätte man ihn für unsichtbar halten können, so unscheinbar wirkte er.
»Worth, bleib ganz ruhig, du hast nichts zu befürchten, Junge.«
Doch Haydens Worte schienen den jungen Mann, der äußerst angespannt wirkte, nicht zu beruhigen.
»Wusstest du, Worth, dass mir einer aus der Mannschaft hilfreiche Notizen in die Tasche meines Uniformrocks steckte? Das geschah heimlich. Ich möchte den Mann, der das getan hat, nicht verraten. Und das wiederum bedeutet, dass ich mich nie bei ihm bedanken kann. Ist das nicht eigenartig?«
»Vielleicht möchte der Mann ja auch gar nicht, dass Sie sich bei ihm bedanken, Sir«, meinte Worth mit ausdrucksloser Miene.
»Das wäre sehr nobel von ihm.« Hayden fixierte den Mann für einen Moment. »Wie es scheint, ist Mr Barthe in Schwierigkeiten, obwohl er nichts dafür kann. Ich suche nach einer Möglichkeit, ihn aus dieser misslichen Lage zu befreien, aber dafür brauche ich Hilfe. Allerdings muss derjenige, der mir hilft, ein großes Risiko eingehen. Daher zögere ich ...«
»Was für ein Risiko, Sir?«
»Nun, ihm könnte Gefängnis drohen, vielleicht Schlimmeres.«
Der junge Mann zupfte einen losen Faden aus der Naht seiner Hose. »Das ist wirklich ein Risiko, Sir. Dürfte ich fragen, was man tun muss, wenn man Mr Barthe helfen möchte?«
»Unser Master vermisst sein Logbuch, das immer in seiner Kabine lag. Die Offiziere beim Kriegsgericht werden ihm diesen Verlust als Pflichtvernachlässigung auslegen. Das Gremium könnte sogar zu dem Schluss kommen, Mr Barthe habe das Logbuch absichtlich verschwinden lassen, da der Inhalt womöglich weitere Pflichtversäumnisse offenbart.«
»Ich schwöre Ihnen, Mr Hayden, ich weiß nicht, wo das Buch ist.«
»Ich aber. Zumindest habe ich da einen starken Verdacht. Glauben Sie, ein geschickter Mann, der sich mit so etwas auskennt, könnte Mr Barthes Logbuch aus einem Haus oder einer anderen Unterkunft entwenden, ohne dass es auffällt?«
Der junge Mann sah ihm unverwandt in die Augen. »Oh, das wäre bestimmt möglich, Mr Hayden.«
»Wie viele Männer bräuchte man für ein solches Unterfangen?«
»Drei, Sir.« Er hielt kurz inne. »Ich denke, ich könnte Ihnen ein paar Leute empfehlen, wenn ich darf, Sir.«
»Der Doktor wird die Namen der Männer vorsichtshalber in die Krankenliste eintragen. Sie werden zu krank sein, um am Kriegsgericht teilzunehmen, und genau dort werden sich Mr Landry und Kapitän Hart den Vormittag über aufhalten.«
Hayden ging in die Hocke und inspizierte den Ruderschacht im schwachen Licht der Laterne, die der Schiffszimmermann hochhielt. Er drückte die Klinge eines Messers in das Holz und erschrak, als er feststellte, dass sie widerstandslos hineinglitt.
»Erstaunlich, dass dort kein Wasser eindrang, als die See anschwoll. Ich weiß nicht, wie Ihnen das aufgefallen ist, Mr Chettle, aber gut gemacht.«
»Wenn die neue Farbe nicht Blasen geworfen hätte, wäre ich nie darauf gekommen, Mr Hayden. Innen ist es fast vollständig verrottet, außen aber noch in Ordnung. Bald hätten wir Schwierigkeiten bekommen, so viel steht fest.«
»Ja. Wir müssen es komplett erneuern.« Hayden erhob sich und zog den Kopf unter der Ruderpinne ein. »Je eher, desto besser.«
»Ich kümmere mich gleich heute darum, Mr Hayden.«
Als Hayden sich umdrehte, trat ein Korporal der Seesoldaten in den Lichtkreis.
»Hier sind Sie, Mr Hayden«, sagte der Soldat. »Der Master eines anderen Schiffes wünscht Sie zu sprechen, Sir. Mr Hawthorne hat ihn in die Kapitänskajüte gebeten, wo er auf Sie wartet.«
»Ich komme sofort.«
Augenblicke später betrat Hayden die Kajüte und sah einen Mann, der am Tisch Platz genommen hatte. Er hielt seinen Hut in der Hand und hatte seinen Mantel aufgeknöpft. Beim Geräusch der Tür stand er gleich auf, reichte Hayden die Hand und benahm sich wie ein Geschäftsmann.
»Mr Hayden, es freut mich wirklich, Sie kennenzulernen. Ben Tupper, Master der New England. Ich bringe Ihnen Post von Mrs Adams, Sir. Und als ich hörte, dass Sie an Bord der Themis waren, bin ich gleich persönlich vorbeigekommen.« Er reichte Hayden ein mehrfach eingeschlagenes Paket, das noch mit Band verschnürt war.
»Oh, das ist aber nett von Ihnen, Mr Tupper. Darf ich Ihnen ein Glas Wein anbieten?«
»Ein andermal sehr gern, Mr
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