Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
Vom Netzwerk:
Hayden, aber ich habe heute Abend noch eine Verabredung.«
    »Dann werden wir das beizeiten nachholen, Mr Tupper. Aber sagen Sie, wie ging es meiner Mutter und Mr Adams, als Sie die beiden zuletzt sahen?«
    »Es ging ihnen gut, Mr Hayden. Vor sechs Wochen war ich bei ihnen zum Abendessen eingeladen, und Mrs Adams schien sehr zufrieden und fröhlich zu sein. Auch Mr Adams ist ein fröhlicher Mensch und hat Erfolg mit seinen Bestrebungen. Sie sprachen sehr liebevoll von Ihnen, Mr Hayden, und baten mich, Ihnen diese Briefe mit nach England zu nehmen, obwohl ich nicht damit rechnen konnte, Ihnen das Paket persönlich auszuhändigen. Ich werde voraussichtlich drei Tage im Hafen sein, Mr Hayden, und würde Ihre Briefe gern mitnehmen, wenn Sie das möchten.«
    »Sobald ich Zeit finde, werde ich die Briefe beantworten und zu Ihnen aufs Schiff bringen lassen, Mr Tupper. Sehr freundlich von Ihnen.«
    »Für Mr und Mrs Adams tue ich alles, Mr Hayden. Ich habe beide sehr gern.«
    Hayden begleitete den amerikanischen Master aufs Deck und verabschiedete sich von ihm, ehe er wieder in die Kajüte eilte und die Briefe öffnete. Sofort erkannte er die zierliche Handschrift seiner Mutter und nahm teil an ihren Gedanken und Gefühlen. Mitten in den Sätzen wechselte sie unvermutet vom Französischen ins Englische und bediente sich auch des Spanischen und Italienischen, um ihren Ausführungen eine gewisse Würze zu verleihen. Sie brachte ihre Sorge um ihre Familie in Frankreich zum Ausdruck und hoffte, dass es allen gut ging. Drei Briefe waren es insgesamt, die alle schier überquollen von ihrem Glück, ein neues Leben in Amerika gefunden zu haben. Das hätte auch Aldrich gefallen, dachte Hayden mit einem Lächeln. Gleichzeitig musste er laut lachen, wenn seine Mutter in ihren Beobachtungen kleine Seitenhiebe auf die Amerikaner unterbrachte.
    Im Päckchen fand er auch einen Brief von seinem Stiefvater, der allerdings über reine Höflichkeitsfloskeln nicht hinausging. Einen längeren Brief hatte ihm Mr Adams jüngste Tochter, die zwölfjährige Emma, geschrieben, die Hayden bewunderte, wie er sehr wohl wusste.
    Doch die Antworten würden warten müssen, denn es gab noch viel zu tun. Außerdem wusste Hayden nicht, wie er seine gegenwärtige Situation erklären sollte. In Wirklichkeit begriff er selbst nicht, wie ihm geschah. Ihm wurde zwar der Verlust der HMS Themis nicht zur Last gelegt, und doch überkam ihn die furchtbare Vorahnung, dass man ihm vor Gericht die ganze Schuld an diesem berüchtigten Vorfall geben würde. Vielleicht hatten diese Briefe, die die Vorzüge eines Lebens in Amerika lobten, ja noch eine tiefere Bedeutung, die sich ihm nur im Augenblick nicht erschloss.
    Sehr früh am nächsten Morgen erhielt Hayden eine kurze Nachricht von Landry. Der Leutnant ließ ihn wissen, Kapitän Hart werde seinen Anwalt Sir Hubert Chatham aufs Schiff schicken, damit dieser die Offiziere hinsichtlich des bevorstehenden Kriegsgerichts beriet.
    Pünktlich um zehn Uhr kam Sir Hubert an Bord und wurde von Hayden an der Reling begrüßt. Er führte den Mann in die Kapitänskajüte, wo sich inzwischen die Offiziere, die Midshipmen und die Deckoffiziere eingefunden hatten. Hayden stellte die Anwesenden kurz einander vor, doch Sir Hubert stand mit sehr ernster Miene da und wirkte ungeduldig. Hayden hatte noch nie einen Mann gesehen, der so darauf brannte, zur Sache zu kommen. Man gewann den Eindruck, dass der Anwalt nie lächelte und an nichts anderes dachte als das Geschäftliche. Kaum hatte Hayden den letzten Offizier vorgestellt, als der Anwalt auch schon zu sprechen anhob.
    »Ich wurde von Ihrem Kommandanten Sir Josiah Hart beauftragt«, begann er und sorgte für Erstaunen in der Runde, »ihm beim bevorstehenden Kriegsgericht beratend zur Seite zu stehen. Ihnen wird bewusst sein, dass Sie sich im Vorfeld beraten lassen können, aber vor Gericht keinen Rechtsbeistand in Anspruch nehmen dürfen. Sie müssen sich daher selbst verteidigen und auf sämtliche Fragen antworten, die Ihnen von den Kapitänen des Gremiums gestellt werden. Sinn und Zweck des Kriegsgerichts ist es, den Anlass und die Umstände der Meuterei zu untersuchen. Die Umstände liegen auf der Hand, und ich bin mir sicher, dass Sie, was die Abläufe anbelangt, einer Meinung sein werden, ganz gleich, wo Sie sich nun im Einzelnen an Bord befanden. Sollten Ihre Berichte jedoch erheblich voneinander abweichen, werden die Kapitäne, die zur Urteilsfindung zusammengekommen sind,

Weitere Kostenlose Bücher