Unter feindlicher Flagge
Tag?«
Hayden sah dem Kapitän in die Augen. »Ich hielt sie für Handelsschiffe, Kapitän McLeod. Sie setzten Kurs auf Le Havre, als sie uns erblickten, und das hätten feindliche Fregatten nicht ohne triftigen Grund getan, zumal sie uns zahlenmäßig überlegen waren.«
McLeod schien seine Wut unterdrücken zu müssen. »Aber Sie ordneten keine Verfolgung an, um sicherzugehen?«
»Kapitän Hart befahl, weiterhin Kurs auf Brest zu halten.«
McLeod schüttelte den Kopf und schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Meine letzte Frage, Mr Hayden«, sprach er betont ruhig und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Leutnant. »Sie haben doch Ihren Kommandanten darüber informiert, dass sich die Mannschaft in Plymouth beinahe geweigert habe, in See zu stechen, nicht wahr?«
»Ja, Sir, worauf er mir in der Weise antwortete, wie ich es heute in der Verhandlung beschrieben habe.«
»Er gab Ihnen die Schuld?«
»Mehr oder weniger, ja.«
»Eher mehr, würde ich sagen.« McLeod wandte sich Spencer zu.
Entweder war Spencer der liebenswürdigste Gentleman am Tisch, oder er war äußerst geschickt darin, seine Gefühle zu verbergen, denn er betrachtete Hayden ruhig. »Die Unzufriedenheit der Besatzung zeigte sich bereits an dem Tag, als Sie Harts Schiff betraten? Da sind Sie sich ganz sicher?«
»Ganz sicher, Sir.«
Spencer schien keinen Zweifel an Haydens Worten zu haben. »Das war dann alles, was ich von Ihnen wissen wollte.«
Gardner sah die anderen Gentlemen erwartungsvoll an, und Hayden spürte, dass North zögerte, sich aber dann an Hayden wandte. »Ich würde gern noch wissen, Mr Hayden, wie es zu dem Verlust des Logbuchs kam und warum es dann so plötzlich wieder aufgetaucht ist.«
Hayden war im Begriff, darauf wahrheitsgemäß zu antworten, überlegte es sich aber noch einmal anders und sagte dann: »Es wurde aus der Kabine des Masters gestohlen, aber wenn Sie erlauben, Kapitän North, dann möchte ich nicht weiter auf diese Frage eingehen.« Zu viele andere waren darin verstrickt, und falls einer der anwesenden Kapitäne letzten Endes doch nicht auf Haydens Seite war, würde Hayden Leute wie Worth und dessen Gehilfen unnötig in Gefahr bringen.
Gardner schaltete sich ein, als North gerade nachhaken wollte. »Wir haben Mr Hayden zugesichert, dass er nicht antworten muss, und sollten uns auch daran halten. Ich denke, es ist offenkundig, dass das Logbuch von Leuten entwendet wurde, denen der Inhalt des Buches geschadet hätte. Ich glaube nicht, dass uns Mr Hayden sagen muss, welche Personen hierfür infrage kommen.« Mit einem schmalen Lächeln wandte er sich Hayden zu. »Danke, Mr Hayden, Sie haben uns sehr geholfen. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass es für alle Beteiligten das Beste wäre, wenn Sie dieses Gespräch für sich behielten ...«
Hayden nickte zustimmend.
»Ich lasse Sie zurück auf Ihr Schiff bringen.«
Hayden erhob sich, empfahl sich und ging zur Tür. Doch schließlich, angetrieben von seinem Unmut, wandte er sich noch einmal an die vier Kapitäne. »Meine Herren, was erwartet mich morgen? Kapitän Hart hat viel darangesetzt, mich vor dem Gremium zu diskreditieren.«
»Das Gremium besteht aus zwölf Kapitänen, Mr Hayden, und wir sind nur zu viert. Dennoch, wir werden alles tun, um Ihnen zu helfen. Ich wünschte, wir könnten sagen, dass wir den Sieg davontragen, aber das kann ich Ihnen nicht versprechen.« Er klopfte leicht auf das Logbuch des Masters. »Zumindest haben wir etwas Munition.«
»Ich habe den Eindruck, dass Kapitän Hart viele Freunde im Gremium hat.«
»Vielleicht. Aber ich glaube, dass es immer noch einige Kapitäne gibt, die es darauf ankommen lassen würden, sich den Zorn von Mrs Harts Familie zuzuziehen. Solange es der Gerechtigkeit dient. So hoffe ich zumindest.«
K APITEL FÜNFUNDZWANZIG
»Und was machen wir jetzt mit Mr Aldrich?«, klagte Hawthorne. »Für einen so gebildeten Mann ist er schrecklich starrsinnig, nicht wahr?«
Die Offiziere der Themis saßen in der weitgehend leeren Kajüte des Kommandanten. Sie hatten darüber diskutiert, was wohl am nächsten Morgen geschehen würde, und Hayden hatte den anderen soeben von seiner Unterhaltung mit Aldrich berichtet.
»Das habe ich schon ein paar Mal erlebt«, sagte Archers Bruder. »Ein gewisses Maß an Genie gepaart mit einer selbstzerstörerischen Tendenz zur Unvorsichtigkeit. Nichts gegen Mr Aldrich, aber wenn er sich nicht zusammenreißt, wird es schlimm für ihn enden.«
Nach einem Klopfen
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