Unter feindlicher Flagge
Bainsbridge zurückhaltend, »dass ich bezüglich Mr Haydens etwas halsstarrig war. Aber ich wende mich mit allem Nachdruck dagegen, Vorkommnisse wieder aufzugreifen, über die schon verhandelt worden ist.« Dabei machte er eine respektvolle Kopfbewegung in Richtung von Duncan. Sein Blick aber richtete sich auf Gardner, der zurückgelehnt auf seinem Stuhl saß, wobei seine Hände mit verschränkten Fingern auf dem Tisch ruhten. Hayden war es, als ob der Mann lächelte. Das war aber nicht der Fall.
Simpson, der jüngste Kommandant in dem Gremium, machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie suchen beide nach dem Schuldigen an der falschen Stelle. Die Leute, die die ganze Schuld tragen, sind jene, die versuchten, eine unserer Fregatten an die Franzosen auszuliefern. Ich bin nur daran interessiert, ob Kapitän Hart und seine Mannschaft alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um diesen Verrätern Einhalt zu gebieten. Die Ausführungen der Herren, die bis jetzt das Wort ergriffen haben, legen nahe, dass die Verteidigung des Schiffes mehr als beherzt war - sie war sogar beispielhaft. Um das herauszufinden, sind wir hier. Lassen Sie uns fortfahren.«
»Ja«, erklärte Duncan, »fahren wir fort. Wer wird als Nächster gehört?«
An diesem Tag wurde kaum eine andere Frage gestellt außer den folgenden: Was hatte jeder der Männer getan, um die Meuterer in Schach zu halten, und wenn dies nicht ging, warum? Selbst Gardner stellte keine Fragen zu den Ursachen, zu aufsässigen Äußerungen oder zu Zusammenrottungen. Er hakte nicht bei Mr Barthes Aussage nach, die Mannschaft habe sich entschlossen geweigert, weiter unter Hart zu segeln, und habe ebenso entschlossen eine Petition an die Admiralität richten wollen mit dem Ersuchen, Hart das Kommando zu entziehen. Die Deckoffiziere und die Midshipmen wurden ohne Detailfragen recht schnell vernommen, und das Verhör der Mannschaft war noch oberflächlicher. Die große Kabine leerte sich, und die Kommandanten hatten Gelegenheit, im privaten Gespräch ihre jeweilige Beurteilung auszutauschen. Hayden ging mit einigen Offizieren der Themis an Deck, wo sie leise miteinander sprachen.
»Was zum Teufel ist denn jetzt eben passiert?«, fragte Barthe leise, aber nachdrücklich. »Man ließ mich überhaupt nicht zu Ende reden. Was ist mit den Angelegenheiten, über die wir erst gestern gesprochen haben? Haben die denn alles vergessen?«
»Nicht vergessen, aber sie haben es vorgezogen, diese Dinge zu ignorieren«, erwiderte Archers Bruder und erntete damit einen verärgerten Blick vom Master, der sich danach abwandte. »Irgendeine Übereinkunft wurde getroffen, aber wem sie nützen soll, kann ich mir beim besten Willen nicht denken.«
Hayden hatte der Magen den ganzen Vormittag zu schaffen gemacht, und bei den eben gehörten Bemerkungen begann er recht unangenehm zu rumoren. Hayden ging an die Reling und starrte über die trübe wirkende Bucht hinweg. Gardner hatte sich nicht sehr zuversichtlich angehört, dass er das Gremium in seinem Sinne würde beeinflussen können. Hayden war ihm aber dankbar dafür, dass er Bainsbridge zum Schweigen gebracht und ihn selbst vor einer Anklage bewahrt hatte. Es war jedoch immer noch möglich, dass das Gericht ihm eine strenge Rüge erteilen würde. Sie könnten ihn durchaus verantwortlich machen, ohne ihn schuldig zu sprechen - was so ziemlich die gleiche Wirkung hätte sowohl auf seine Karriere als auch auf die Art, wie die Öffentlichkeit ihn einschätzen würde. Waren wirklich all seine Versuche, Hart zu veranlassen, dem Feind den Krieg aufzuzwingen, derart gescheitert?
Zwei Stunden lang schritt die Mannschaft der Themis an Deck auf und ab - ein Warten bei Flaute. Der Tag war trübe, der Himmel bleiern-grau, das Meer wie träges Quecksilber. Die Möwen flogen nicht umher, sondern bewegten sich lustlos auf der Wasseroberfläche des Hafens auf und ab, lautlos und traurig. Die Männer konnten die Anspannung in ihren Gesichtern und in ihrer Haltung nicht ganz verbergen. Es wurde überraschend wenig gesprochen, und das Wenige wurde auch nur geflüstert.
Die Frage »Denkt ihr, es dauert noch länger?« drang mehrere Male an Haydens Ohren, jedes Mal von einem anderen Sprecher kommend.
Die Midshipmen versammelten sich an der Reling und sprachen leise miteinander. Sie waren sehr umeinander besorgt, und die Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Hart und Landry standen für sich, von allen geschnitten. Niemand gesellte sich zu ihnen. Mehrere
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