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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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meinem Charme zu widerstehen. Ich fürchte, die Damen schaffen das mit geringem Aufwand.«
    »In dieser Hinsicht haben Sie viele Leidensgenossen, Mr Hayden.« Die Mundwinkel des Schiffsarztes gingen ein wenig nach unten, als habe er einen bitteren Geschmack auf der Zunge. »Sie werden feststellen, dass diese Mannschaft eine seltsame Ansammlung von Gescheiterten und Versagern ist.«
    Hayden war sich nicht sicher, was er darauf erwidern sollte, wusste aber genau, dass Griffiths' Worte ein schlechtes Licht auf den Kommandanten warfen.
    »Die Midshipmen scheinen erstklassig zu sein«, stellte Hayden fest.
    »Das sind sie wirklich. Wenn Mr Hart nicht im Dienst ist, gibt er sich anders, wie ich hörte. Und durch Mrs Hart hat er einige einflussreiche Freunde.«
    »Was die Anwesenheit von Lord Arthur Wickham an Bord erklären dürfte ...«
    Der Doktor nickte. »Aber nicht alle Leute auf dem Schiff sind aufgrund von Inkompetenz hier gestrandet. Manch einer von uns verfügt einfach über keine Beziehungen.«
    Hayden warf einen kurzen Blick auf den Schiffsarzt und fragte sich, ob Griffiths mit dem letzten Satz auf ihn anspielen wollte. Doch schließlich kam er zu dem Schluss, dass der Kommentar gewiss nicht böse gemeint gewesen war. »Ich bin sicher, dass viele tüchtige Leute an Bord sind, Doktor. Man kann nicht die ganze Mannschaft über einen Kamm scheren.«
    Griffiths machte eine kleine anerkennende Verbeugung, vielleicht wollte er sich damit auch bedanken. »Ich muss mich dann wieder meinen Aufgaben widmen, wenn Sie erlauben, Mr Hayden.«
    »Natürlich, Doktor, lassen Sie sich durch mich nicht aufhalten.«
    Mr Landry hatte ihm einen Diener zugewiesen, einen Jungen von zwölf Jahren, der auf den Namen Joshua hörte. Der Bursche hatte bereits dem ehemaligen Leutnant gedient und kannte seine Pflichten daher. Auch ein »Schreiber« wurde Hayden zugeteilt, ein junger Ire mit dem seltsamen Namen Perseverance Gilhooly. An Bord nannten ihn alle Perse.
    Als Hayden dabei war, in seiner Kabine Ordnung zu machen - ein Raum von knapp fünfzehn Quadratfuß -, klopfte es an der offenen Tür.
    »Ah, Mr Hawthorne«, sagte er. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Der Leutnant der Seesoldaten zog den Kopf beim Eintreten ein. In einer Hand hatte er ein schweres Buch, das er auf der Hüfte abstützte.
    »Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich zuverlässige Männer bei den Booten postiert habe. Heute Nacht kommt keiner an Land, es sei denn, er schwimmt.«
    In jener Nacht waren keine Frauen an Bord, und genau dieser Umstand veranlasste einige Männer, darüber nachzudenken, wie weit es bis zur Küste war. Hayden dachte an das, was der Schiffsarzt über Hawthorne gesagt hatte, und überlegte, ob es auch den Leutnant der Seesoldaten nicht mehr an Bord hielt. »Danke, Mr Hawthorne.«
    Doch der Mann blieb in der offenen Tür stehen.
    »Was lesen Sie da gerade, Mr Hawthorne, wenn ich fragen darf?«
    »Eine Abhandlung über experimentelle Landwirtschaft, Mr Hayden, verfasst von Mr Arthur Young.«
    »Ein Gebiet, das nicht allzu viel mit der See zu tun hat.«
    »Ich hoffe, eines Tages eine Farm mein Eigen zu nennen, Mr Hayden, obwohl das bei meinen Kameraden in der Offiziersmesse Heiterkeit auslöst.« Er zögerte einen Moment und errötete ein wenig. »Vor einem Jahr veröffentlichte ich in den Annalen für Landwirtschaft eine kurze Abhandlung mit dem Titel Beobachtungen zur Praxis, Legehennen auf See zu halten‹.«
    Bei diesem überraschenden Bekenntnis, das der Leutnant der Seesoldaten mit unverhohlenem Stolz vorbrachte, musste Hayden unwillkürlich lächeln.
    Im selben Augenblick betrat Barthe die Offiziersmesse, tauchte hinter Hawthorne auf und rückte einen Stuhl beiseite, da er an dem Tisch vorbei wollte. »Erzählt er Ihnen gerade von dem großen Anwesen, das er eines schönen Tages besitzen möchte, Mr Hayden? Und wie er die Prinzipien der wissenschaftlichen Landarbeit anwenden wird, um große Erfolge zu erzielen?«
    Hawthorne wirkte keineswegs beleidigt, sondern verdrehte die Augen, als übe er sich in Nachsicht. »Die kleinen Eifersüchteleien der Unwissenden sind schon eine schreckliche Bürde, Mr Hayden.«
    »Den Preis zahlt man, wenn man seiner Zeit voraus sein will. Die Familie meiner Mutter besitzt große Weinanbauflächen. Daher habe ich die wissenschaftlich betriebene Landwirtschaft aus nächster Nähe erlebt und Vor- und Nachteile kennengelernt.«
    Hawthorne musterte Hayden genau. Er wollte zweifelsohne prüfen, ob es stimmte, dass seine

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