Unter feindlicher Flagge
Ehre, nicht abweichen, obwohl das bei einigen meiner Kameraden für Heiterkeit sorgt.« Die Anwesenden unterdrückten ein Grinsen. Barthe fuhr fort: »Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Hayden. Ich werde Ihnen keine Mäßigung auferlegen. Das ist einzig und allein eine persönliche Angelegenheit. Ein Makel in meinem Charakter erlaubt es mir nicht, hochprozentigen Alkohol anzurühren, nicht einmal Wein oder Ale, ohne dass es zu desaströsen Folgen kommt. Ich hoffe daher, dass Sie mir vergeben, wenn ich mit Wasser anstoße. Das ist nicht respektlos gemeint.«
»Im Gegenteil, Mr Barthe, sehen Sie es mir nach, dass ich dieses Thema überhaupt anschnitt.«
»Ich sage meinen Kameraden in der Offiziersmesse immer, keiner soll sich um mein Gelübde kümmern. Jeder soll das trinken, was er mag, und sich keine Gedanken machen, wie es mir dabei geht. Wenn die anderen nur noch in meiner Abwesenheit trinken, um mich zu schonen, bringen sie mich um ihre lustige Gesellschaft, und letzten Endes stünde ich noch schlechter da. Denn man muss lernen, den Versuchungen zu widerstehen. Man muss sich selbst drillen, wie es die Männer an den Geschützen tun. Je länger ich widerstehe, desto stärker werde ich.«
Man legte kurz das Besteck zur Seite, erhob die Gläser und prostete sich zu.
»Ist es während der letzten Fahrt zu Gefechten gekommen?«, erkundigte sich Hayden beiläufig und brach das unangenehme Schweigen.
Für einen Moment sah es so aus, als wolle niemand antworten - jeder schien darauf zu hoffen, dass der Tischnachbar das Wort ergriff.
»Nein, Sir, Mr Hayden«, sagte Landry leise. »Wir hatten überhaupt kein Glück.«
»Manchmal ist das eben so«, meinte Hayden. »Sie haben aber einen Mann verloren, wie ich hörte?«
Erneut senkte sich ein beharrliches Schweigen herab.
»Penrith«, sagte Hawthorne dann. »Ein guter Seemann.«
»Das hört man nicht gern. Und hat man den Mann gefunden, der ihn tötete?«
Die Männer tauschten verstohlene Blicke.
»Ein strittiger Punkt, Mr Hayden«, antwortete Lord Arthur.
»Und wie sehen Sie die Sache, Wickham?«
Die Grübchen auf den Wangen des jungen Mannes schwanden, als er die Beweislage abwägte, ernst wie ein Richter. »Ich glaube, dass der Mann, der gehenkt wurde, unschuldig war, Sir.«
Die anderen Männer rutschten unruhig auf ihren Stühlen hin und her.
»Und was meinen Sie, Mr Landry?«
»Der Kommandant hielt McBride für den Schuldigen«, erwiderte er, »und Kapitän Hart würde ich nie widersprechen.«
»Nein«, sagte Hawthorne, »das würden Sie bestimmt nicht tun.«
Der Blick, den Landry dem Leutnant der Seesoldaten zuwarf, war alles andere als freundlich.
»Wenn es nun nicht dieser McBride war«, fasste Hayden zusammen und richtete den Blick auf Hawthorne, »wer hat Penrith dann umgebracht?«
»Ich habe keinen Beweis, Mr Hayden, nur einen persönlichen Verdacht. Aber es wäre unfair, jemanden zu belasten, der am Ende doch unschuldig ist.«
»Seien Sie vorsichtig, Mr Hawthorne«, warnte der Master. »Der Kommandant nimmt einem Kritik dieser Art sehr übel.«
»Gewiss würde niemand hier bei Tisch nach außen tragen, was in der Offiziersmesse gesprochen wird ...«, sagte Hayden, aber das nachfolgende Schweigen verriet ihm, dass genau das der Fall sein würde.
Nachdem Diener den Tisch abgedeckt hatten, war Hayden kurz allein, da die anderen Offiziere ihren Pflichten nachkommen mussten. Er hoffte, dass er die Offiziere während des Dinners mit seinen Methoden und Ansichten vertraut gemacht hatte. Es gab immer zunächst ein Gefühl von Unsicherheit, wenn ein neuer Erster Offizier an Bord kam, insbesondere auf der Themis, da der Kommandant nicht da war. Sowohl die Besatzung wie auch die Offiziere mussten sich erst einen Überblick über die Standards und Erwartungen des neuen Leutnants machen. Hayden wusste sehr wohl, dass die meisten Matrosen nicht bereit waren, etwas an ihrer Lage zu ändern, so miserabel sie auch sein mochte. Seine Aufgabe würde sich schwierig gestalten, da er die Erwartungen von Kapitän Hart nicht einschätzen konnte. Denn schließlich setzte der Kommandant eines Schiffes die Messlatte an, nicht der Erste Leutnant.
Griffiths kam aus seiner Kabine und nickte dem neuen Offizier zu. Der Schiffsarzt, dürr und mit schmalem Gesicht, überragte Hayden zwar um eine Handspanne, mochte aber etliche Pfunde leichter sein. Hayden schätzte ihn nicht viel älter als dreißig, aber da Griffiths vorzeitig ergraut war, wirkte er immer ernst. Selbst wenn
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