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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Augen unterschiedlich gefärbt waren. »Bestimmt nicht in England, oder?«
    Hayden wusste, dass die Wahrheit irgendwann sowieso ans Licht gekommen wäre. Auf Schiffen kochte die Gerüchteküche. »In Frankreich, Mr Hawthorne.«
    »Frankreich ...«, wiederholte der Leutnant der Seesoldaten und schien verblüfft zu sein.
    »Eine große Nation jenseits des Kanals, Mr Hawthorne«, warf Barthe ein, als er seine Kabine betrat. »Dort kam es unlängst zu einer Revolution. Haben Sie nicht davon gehört?« Mit einem durchtriebenen Lächeln drückte der Master die Tür seiner Kabine zu.
    Hawthorne lachte etwas unbeholfen, um seine Verlegenheit zu überspielen. »Dann sind Sie zur Hälfte französischer Abstammung, Mr Hayden?«
    »Ganz recht, aber in meinem Herzen bin ich Engländer. Mein Vater war Vollkapitän in der Royal Navy.«
    »Es war nicht meine Absicht, Ihre Loyalität infrage zu stellen, Mr Hayden. Wenn das so wirkte, bitte ich um Entschuldigung.«
    »Keine Ursache, Mr Hawthorne. Ich war es, der das Gefühl hatte, eine Erklärung folgen lassen zu müssen.«
    Hawthorne verbeugte sich kurz, blieb jedoch auf der Schwelle von Haydens Kabine stehen und schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. Vielleicht hatte er ursprünglich die Absicht gehabt, Hayden etwas anzuvertrauen, anstatt den Titel seiner kurzen Abhandlung zu erwähnen.
    »Wäre da sonst noch etwas, Mr Hawthorne?«
    Der Leutnant der Seesoldaten machte Anstalten, etwas zu erwidern, lächelte dann jedoch bloß. »Nein, nichts, Sir.«
    Als Hawthorne endlich in seiner eigenen Kabine verschwand, blieb Hayden nachdenklich stehen. Vielleicht würde Hawthorne sagen, was er auf dem Herzen hatte, wenn er Hayden besser kannte - so hoffte der neue Erste Leutnant jedenfalls.
    Einige Zeit später legte sich Hayden in seine Koje, schlief jedoch lange nicht ein und lauschte auf die gurgelnden und platschenden Geräusche des Wassers und die leichte Brise, die in den Wanten wisperte.

K APITEL FÜNF
    Hayden wachte von einem fernen Flüstern auf.
    »Doktor? Doktor Griffiths?« Der Nachdruck in der Stimme drang in Haydens Schlaf und zog ihn in die Wirklichkeit. Schließlich setzte er sich in der Koje auf, rieb sich die Augen und schüttelte den Kopf.
    Von der anderen Seite der Offiziersmesse vernahm er Griffiths' Stimme. Der Schiffsarzt schien nicht sonderlich erbaut zu sein, zu dieser Stunde geweckt zu werden. »Was ist denn?«, rief er.
    »Es geht um Tawney, Sir. Eine Wache fand ihn im Kabelgatt. Er blutet und rührt sich nicht. Sieht ganz so aus, als sei er verprügelt worden, Sir.«
    Hayden stand auf und zog sich Kleidung über.
    »Herrgott noch mal ...«, grummelte der Schiffsarzt, und Hayden hörte Schritte an Deck.
    Der Erste Leutnant und Griffiths kamen zur selben Zeit aus ihren Kabinen und eilten sofort zusammen zum Orlopdeck. Der Soldat, der den Doktor geweckt hatte, lief voraus, eine Laterne in der einen, eine Muskete in der anderen Hand. Rasch nahmen sie die engen Treppenstufen und eilten weiter.
    Bald sahen sie zwei schemenhafte Gestalten. Eine stand wegen der niedrigen Decke des Zwischendecks gebückt da und hielt eine Laterne hoch, während die andere halb von der Dunkelheit verschluckt wurde, die zwischen den Windungen der dicken Ankertrosse herrschte. Hayden stieg hinter dem Doktor über die wulstigen Taue und sah, dass Griffiths Augengläser aus der Tasche holte.
    Ein Mann lag verdreht auf den dunklen Planken, schlaff wie ein schlafendes Kind. Der Mund war geschwollen.
    »Wir haben ihn nicht angerührt, Doktor«, sagte einer der Männer. »Haben ihn so liegen gelassen, wie Sie es immer sagen.«
    Griffiths überhörte die letzten Worte und tastete am Hals des Mannes nach dem Puls. Die anderen hielten den Atem an.
    »Zumindest ist er noch am Leben. Haltet die Laterne näher heran.«
    Die Laternen wurden nach unten gehalten und warfen ihr mattes Licht auf das blutüberströmte Gesicht des Matrosen. Die Haut war stark geschwollen und dunkelblau und rot verfärbt. Die geschwollenen Augen waren zu, der Kiefer seltsam verschoben.
    »Wie heißt dieser Mann?«, fragte Hayden.
    »Dick Tawney, Sir. Toppgast vom Vorbramsegel.«
    »Wer könnte ihm das angetan haben?«
    Niemand wusste darauf eine Antwort. Vorsichtig berührte der Schiffsarzt den Kopf des Mannes und drehte den Verletzten dann mit Haydens Hilfe auf die Seite.
    »Ein Wunder, dass er nicht an seinem eigenen Blut erstickt ist«, stellte der Doktor fest und ließ sich seinen Zorn anmerken. »Laufen Sie nach

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