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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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achtern, Davidson, und holen Sie eine Liege aus dem Lazarett.«
    Tawney stöhnte und regte sich. Griffiths hielt den Mann an der Schulter und der Hüfte fest und stützte ihn. Blut tropfte aus der zerschlagenen Nase und dem schiefen Mund. Augenblicke später kamen der Seesoldat Davidson und Ariss, der Assistent des Schiffsarztes, mit einer Trage zurück. Die Männer befolgten die Anweisungen des Doktors und hievten den Verletzten auf die mit Segeltuch bespannte Trage. Tawney murmelte unverständliches Zeug, bis sein Kopf schlaff zur Seite fiel.
    Die Männer konnten unter den Deckenbalken nicht aufrecht stehen, hoben die Trage an und schoben sie über die Ankertrosse. Inzwischen waren Hayden und ein Matrose über die Taue geklettert und hielten die Trage. Tawneys Füße begannen zu zucken.
    »Sind das schon die Todeszuckungen, Doktor?«, fragte der Soldat und war sichtlich entsetzt von dem Anblick.
    »Nein. Sieht nach einem Anfall aus, von den Schlägen auf den Kopf. Mit etwas Glück hört das gleich wieder auf.«
    Im Lazarett waren Schwingkojen an Ringen aufgehängt, die an den Deckenbalken verschraubt waren. Leicht schwangen sie vor und zurück. Einer der Patienten wachte auf und stierte mit fiebrigem Blick in den Raum. Ein dicker Verband hüllte seine Schädeldecke ein.
    »Ist schon in Ordnung, Hale, schlaf weiter.«
    »Was is' mit dem?«
    Der Schiffsarzt ging auf die Frage nicht ein. »Säubern wir die Wunde, Mr Ariss. Wir müssen das Hemd auftrennen. Dort ist Blut am Rippenbogen.«
    Hayden machte Platz und sah zu, wie sich der Arzt und sein Assistent mit nüchterner Gelassenheit und geübten Griffen an die Arbeit machten. Die Finger bewegten sich mit geheimnisvoller Schnelligkeit in dem trüben Licht. Zweimal bat Griffiths den Ersten Leutnant, Tawney festzuhalten, als dieser von einem weiteren Anfall geschüttelt wurde. Doch schließlich erschlafften die Muskeln des Mannes wieder, und er lag reglos da. Der Schiffsarzt überprüfte immer wieder den Puls der Halsschlagader, wenn sich der Bewusstlose nicht mehr regte.
    Als Griffiths dann sah, dass er im Augenblick nichts mehr tun konnte, gab er Hayden mit einem Handzeichen zu verstehen, ihm in den Vorraum des Lazaretts zu folgen. Der Doktor stützte sich mit einer Hand an einem der niedrigen Deckenbalken ab, Hayden an einer Treppe. Beide senkten sie die Stimmen, damit niemand die Unterredung verfolgen konnte.
    »Tawney wirkt auf mich wie ein stämmiger Bursche«, sagte Hayden. »Es sieht mir nicht danach aus, dass er nur von einem Mann so zugerichtet wurde - es sei denn, wir haben hier einen Riesen an Bord, der zu Gewaltausbrüchen neigt.«
    »Ich gebe Ihnen recht, Mr Hayden. Vier oder mehr Männer dürften auf ihn eingeprügelt haben. Tawney ist neunundzwanzig und stark wie ein Ochse. Meiner Ansicht nach war er in der Mannschaft nicht unbeliebt.«
    »Hat nicht vorhin jemand gesagt, dass er einer der Männer vom Vorbramsegel ist?«
    »Ja, das müsste stimmen.«
    »Seinen Kameraden wird das nicht gefallen.« Hayden schüttelte den Kopf. Die Toppgasten waren für gewöhnlich kräftige Burschen und erfahrene Seeleute - die Anführer unter den Matrosen der Masten. »Ich möchte, dass Sie sich nach der Frühmahlzeit die Leute ansehen. Eine Schlägerei wie diese hinterlässt ihre Spuren. Vielleicht haben einige an Bord einen Handknöchel gebrochen.«
    »Wenn sie nur die Fäuste zum Einsatz brachten. Bei dem Grad der Verletzungen tippe ich eher auf Knüppel.«
    Hayden lehnte sich mit der anderen Seite an die Treppe. »Ein Mann wurde ermordet, ein anderer halb totgeschlagen! Heute, als ich beim Aufrichten des Besanmasts half, spürte ich schwelenden Unmut unter den Männern. Noch nie habe ich gesehen, dass Matrosen so träge und unwillig arbeiten. Einige Männer behinderten sich sogar absichtlich bei der Arbeit. Es ist unerlässlich, dass eine Besatzung zusammenhält, nicht nur mit Hinblick auf die Sicherheit der Männer. Sind diese Eifersüchteleien und unverhohlenen Feindschaften erst zutage getreten, seit Kapitän Hart von Bord ging? Diese Zwistigkeiten können sich doch unmöglich auf See abgespielt haben.«
    Der Schiffsarzt nahm seine Brille ab und rieb sich abwechselnd die Augen. »Es mag sein, dass sich diese Stimmung verschlechterte, als der Kommandant von Bord ging und der Erste Leutnant den Dienst quittierte. Aber das Verhalten der Mannschaft ist nicht neu auf der Themis.«
    Hayden wartete, dass der Doktor dies weiter erläutern würde. Als Griffiths aber schwieg,

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