Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
Vom Netzwerk:
sagte er: »So etwas ist mir noch nicht untergekommen, Doktor. Wie ein Offizier mit so einer Mannschaft in See stechen will, ist mir ein Rätsel. Was sagen denn die anderen Offiziere?«
    Der Schiffsarzt zuckte mit den Schultern. Er schwieg einen Moment, beugte sich dann aber zu Hayden. »Sie haben nach Penrith gefragt. Ich kann Ihnen zwar nicht sagen, wer für den Tod des Matrosen verantwortlich ist, aber in jener Nacht, als er vermisst wurde, hörte ich zufällig, wie einer der Matrosen murmelte ›die haben Penrith erledigt‹, oder so etwas in der Art. Ehe der Finger am nächsten Morgen gefunden wurde, schienen einige Mannschaftsmitglieder bereits zu wissen, dass es Mord war, obwohl die Offiziere zu jenem Zeitpunkt noch davon ausgingen, Penrith sei durch einen Unfall über Bord gegangen.«
    »Wer von den Männern hat das gesagt, Doktor?«
    »Das weiß ich nicht genau. Es war dunkel, die meisten Matrosen waren zu krank, um sich auf den Beinen zu halten. Wir waren in einen furchtbaren Sturm geraten. Ich bekenne, dass ich da andere Sorgen hatte. Ich hatte Angst und war mit meinen Gedanken woanders.«
    In diesem Moment machte sich Ariss, sein Assistent, bemerkbar. »Kommen Sie bitte, Doktor, Tawney hat wieder diese Krämpfe.«
    Mit einem flüchtigen Nicken eilte Griffiths zurück in sein Reich. Einen Augenblick lang stand Hayden unentschlossen da, stieg dann die Treppe nach oben und begab sich leise in die düstere Offiziersmesse. Dort hockte Barthe einsam am Tisch, eine Kerze vor sich, und starrte auf ein Glas Wein.
    Hayden wusste nicht, was er sagen sollte und ob er überhaupt auf den Mann achten sollte. Doch da wandte der Master den Blick von dem Glas und sah Hayden an, von Verlegenheit keine Spur.
    »Sie fragen sich bestimmt, was ich hier mache ...«, wisperte Barthe heiser.
    Diese Frage erübrigte sich für Hayden - denn offensichtlich trank der Master.
    »Ich stelle meinen Willen auf die Probe.« Er nickte in Richtung des vollen Glases. Der Wein schimmerte bernsteinfarben im matten Schein der Kerze. »Von Zeit zu Zeit muss ich das tun - mich der Versuchung aussetzen. Heute konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen, weil ich an Alkohol denken musste. Und daher muss ich jetzt Buße tun. Ich weiß, dass das seltsam wirkt, aber ich bin seit sieben Jahren trocken und habe eben meine eigene Methode, dem Wein zu widerstehen. Wenn ich das hier heute Nacht schaffe, werde ich mich morgen nicht mehr nach Alkohol sehnen.«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie gestört habe, Mr Barthe«, sagte Hayden und trat sofort in seine Kabine. Als er die Tür schloss, sah er Barthe durch den Spalt. Der weiche Schein der Kerze beleuchtete sein Nachthemd. Die Augen waren wieder auf das Weinglas gerichtet, die Hände hatte er flach auf den Tisch gelegt, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Entschlossenheit.

K APITEL SECHS
    Eine mürrische und kränkelnde Besatzung erschien am nächsten Morgen an Deck, und Hayden schickte alle Mann an die Arbeit. Eine Fregatte, die nach der Göttin der Ordnung benannt war, sollte besser aussehen, dachte er. Die nachfolgende Inspizierung des Schiffes jedoch hätte wohl den unerschütterlichsten Offizier entmutigt. In den Lagerräumen des Bootsmanns herrschte Unordnung. Im gesamten Kabelgatt gab es nur eine brauchbare Trosse - die anderen hatte man verrotten lassen. Das Quarterdeck war undicht und musste mit Pech bestrichen werden, und wo Hayden auch hinsah, fehlte es an Sauberkeit und Ordnung.
    Der für den Laderaum zuständige Schauermann schien etwas von seiner Arbeit zu verstehen und berichtete von dem Zustand der Ladung, doch der verschlossene Proviantmeister wusste nicht Bescheid. Die schlimmste Entdeckung machte Hayden allerdings im vorderen Pulvermagazin. Im matten Licht, das durch eine Glasscheibe fiel, überprüfte er die Qualität des Schießpulvers - aber es war der Geruch des Pulvers, der ihn wirklich erzürnte.
    »Wer ist der erste Geschützoffizier, Mr Landry?«, fragte Hayden. Er war dem Mann zwar schon begegnet, hatte den Namen aber vergessen.
    »Mr Fitch ist der Geschützmeister, Mr Hayden.« Landry, der sich noch am Vortag verbindlich gezeigt hatte, gab sich nun in Haydens Gegenwart verdrießlich und abweisend, als störe der Erste Leutnant die täglichen Abläufe auf der Fregatte. Landrys Verhalten mochte auf den Umstand zurückzuführen sein, dass Hayden auf all die Missstände an Bord hingewiesen hatte, für die der Master verantwortlich war. Doch Hayden störte sich nicht

Weitere Kostenlose Bücher