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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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weiter an dem Benehmen des Mannes.
    »Würden Sie ihn bitte rufen, Mr Landry?«
    Landry zögerte einen Augenblick an der Tür, als wolle er sich dem Befehl widersetzen, aber als Hayden sich zu ihm umdrehte und ihn mit strengem Blick fixierte, tippte der Mann an den Hut. Ehe er der Aufforderung jedoch nachkommen konnte, schaltete sich Lord Arthur ein, der zu Haydens zweitem Schatten geworden war.
    »Ich werde ihn auf der Stelle holen, Mr Hayden«, bot der junge Mann an und eilte los.
    Landry ging ins Orlopdeck und bückte sich, als wolle er die Taue inspizieren.
    Mit gleichgültiger Miene beobachtete Hayden den Leutnant. Männer seines Schlages kannte er. Dieser Landry war ein erbärmlicher kleiner Geselle, linkisch und unangenehm, im Verhalten wie in seiner Wortwahl - der Junge, den alle in der Schule hänselten.
    Augenblicke später schlurfte Fitch, der Geschützmeister, in das Pulvermagazin. Er war kahlköpfig und tätowiert. Hinter ihm stand der Zweite Leutnant. Fitch schaute nervös zu Landry hinüber, als er die letzten Treppenstufen nahm.
    »Ist es nicht Ihre Pflicht, Mr Fitch, stets dafür zu sorgen, dass das Pulvermagazin gelüftet wird und trocken ist?«, hakte Hayden nach.
    Der Mann erwiderte nichts, sondern nickte nur.
    »Wie erklären Sie sich dann das hier?« Hayden griff mit einer Hand in ein Pulverfass und hielt klumpiges Pulver hoch, das er in klebrigen Brocken wieder ins Fass fallen ließ. Der Geschützmeister zuckte zusammen.
    »Was wurde aus dem Geschützmeister, den Sie ersetzten?«
    »Er starb, Mr Hayden«, erklärte Landry. »Der Schiffsarzt sagte, sein Herz habe nicht mehr mitgemacht. Wir bestatteten ihn vor einigen Wochen auf See.«
    »Sie sind Ihrer Pflichten als Geschützmeister entbunden, Mr Fitch«, stellte Hayden klar. »Ich werde es dem Kommandanten bei seiner Rückkehr überlassen, über Ihr Schicksal zu entscheiden.«
    »Es war Mr Hart, der Mr Fitch zum Geschützmeister ernannte, Mr Hayden«, betonte Landry und beäugte den Ersten Leutnant mit kaum verborgener Feindseligkeit.
    »Das dachte ich mir, Mr Landry, aber ich werde Mr Fitch durch einen anderen Mann ersetzen, bis der Kommandant zurückkehrt. Wir dürfen unser Pulver nicht in dieser Weise vernachlässigen.« Er deutete auf die Tür. »Sie dürfen gehen, Mr Fitch. Mr Landry wird Ihnen neue Aufgaben zuteilen. Sie können von Glück reden, dass ich nicht der Kommandant bin, denn ich hätte Sie für derartige Nachlässigkeit auspeitschen lassen.« Der Mann machte eine kleine Verbeugung, stieg dann die Treppe hinauf und verschwand im Zwielicht. Die schnellen Schritte seiner bloßen Füße verrieten die Eile des Mannes.
    Hayden wandte sich an Landry. »Es dürfte zwar keinen Zweck haben, aber lassen Sie uns das Pulver testen, bevor ich das Waffenamt um frisches Pulver bitte. Bereiten Sie ein paar Kartuschen für die Karronaden vor, Mr Landry.« Hayden ging hinaus und ließ den Leutnant zurück, der den Groll des Masters würde ertragen müssen. Wickham war unmittelbar hinter Hayden.
    Augenblicke später waren sie auf dem Quarterdeck, wo der Mündungspfropfen von einer Zweiunddreißigpfünder-Karronade entfernt wurde. Die erste Kartusche feuerte überhaupt nicht und musste mit einem Wurm herausgezogen werden, eine Arbeit, die niemand gerne übernahm. Die zweite Kartusche erzeugte einen dumpfen Knall, doch im Lauf blieben zu viele Rückstände. Nach zwei weiteren Blindgängern wurde letzten Endes eine Kugel abgefeuert. Aber wie Mr Barthe richtig bemerkte: »Man hätte die Kugel mit der Hand weiter werfen können.«
    Leutnant Hayden stand nun die wenig beneidenswerte Aufgabe zu, das Waffenamt um Pulver zu ersuchen, um das verdorbene Gemisch zu ersetzen. Die Pulvermengen im Magazin warfen allerdings weitere Fragen auf.
    »Wie oft exerzieren Sie mit den großen Kanonen, Mr Landry?«, fragte er, nachdem die letzte Kartusche herausgezogen worden war. Sie zerbrach in zwei Hälften, sodass der Inhalt herausrieselte.
    »Nie, Mr Hayden. Zumindest nicht seit ich an Bord bin. Geschützdrill wird ohne Pulver oder Geschosse durchgeführt.«
    Hayden schloss die Augen und hatte Mühe, sich seinen Unmut nicht anmerken zu lassen. Rasch wandte er sich an die anderen Männer an Deck. »Ist alles so weit, um den Mast aufzustellen, Mr Franks?«
    Die Männer am Gangspill stemmten sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Spaken und drückten, woraufhin sich das Tau spannte, das von dem ersten Block zum Bock verlief. Das Tau knarrte wie eine alte Tür, und der

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