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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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nach England tragen. Soweit ich unterrichtet bin, dient keiner meiner französischen Verwandten in der Marine, und daher werde ich nie in die Lage kommen, gegen einen von ihnen kämpfen zu müssen, was ich als tröstlich empfinde.« Er klopfte leicht auf die Reling. »Trotz der großen Unterschiede der beiden Nationen habe ich vollstes Vertrauen in Englands Flotte.«
    Hayden konnte den jungen Mann in der Dunkelheit neben sich nur noch erahnen, meinte aber, ein Nicken wahrgenommen zu haben.
    »Wie sind Sie Midshipman auf der Themis geworden, Wickham?«
    »Meine Mutter kennt Mrs Hart schon ihr ganzes Leben lang. Da ich drei ältere Brüder habe, blieb für mich das Pfarrhaus oder die Royal Navy. Ich befürchtete, dass das Leben im Pfarrhaus ein wenig trist sein könnte, und daher bat ich Lord Westmoor, der Navy beitreten zu dürfen. Kapitän Hart und Mrs Hart kamen vor dem Krieg oft zu Besuch, und ich hielt ihn für den größten Mann, dem ich je begegnet war. Viel bedeutender als meinen Vater, der nur ein Earl war.« Der junge Mann lachte, ein ansteckendes, kindliches Lachen. »Jetzt weiß ich ein wenig mehr. Wenn ich Leutnant bin, suche ich mir eine Stellung an Bord eines Flaggschiffs.«
    »Das schaffen Sie schon. Wann werden Sie neunzehn?«
    »In drei Jahren, Sir.«
    »Dauert nicht mehr allzu lange und Sie können Ihr Patent gewiss schon mit achtzehn erwerben, da das Prüfungskomitee nicht so genau nach Ihrem Alter fragen wird.«
    »War Ihre Prüfung hart, Mr Hayden?«
    Hayden erinnerte sich an die drei Kommandanten, die ihm in dem totenstillen Raum gegenübersaßen. Wie streng und Furcht einflößend sie ihm erschienen waren! »Ja, sie stellten mir eine Menge schwieriger Fragen. Nach einer Weile hatte ich den Eindruck, sie wollten, dass ich durchfalle. Doch ich schaffte es, und am Ende machte mir der älteste Kommandant im Prüfungsausschuss ein sehr nettes Kompliment, als er sagte, er sei noch keinem Midshipman begegnet, der sich so tapfer gegen ein derart strenges Kreuzverhör gestemmt habe. Dann verbesserte er sich und sagte ›Ich meinte nicht Midshipman, sondern Leutnant‹.«
    »Ich habe gehört, dass Midshipmen die Prüfung bestanden haben, weil der Kommandant im Komitee von den charakterlichen Eigenschaften des Prüflings überzeugt war.«
    »Stimmt, und diese Leute sind dann leider meist die schlechtesten Leutnants in der Flotte!«, sagte Hayden mit Nachdruck. »Man braucht umfassende Kenntnisse, wenn man ein Schiff führen will, Mr Wickham. Sorgen Sie dafür, dass Sie Ihr Handwerk beherrschen, wenn Sie sich der Prüfung stellen. Sie wollen ja nicht einer dieser Dummköpfe werden, die nicht einmal richtig den Anker einholen lassen können.«
    »Nein, Sir«, sagte der junge Lord. »Ich habe die Absicht, mein Handwerk von Grund auf zu lernen, Mr Hayden, sodass ich auf alle Fragen in der Prüfung genauso klug antworten kann wie Sie.«
    »Das ist gut, Wickham. Und jetzt lassen Sie die Logleine ins Wasser und sagen Sie mir, ob wir immer noch knapp vier Knoten machen. Dann sorgen Sie dafür, dass der Mann im Ausguck abgelöst wird. Ich glaube, ich höre ihn schon schnarchen.«
    »Aye, Sir.«
    Hayden erwachte, als jemand an seine Kabinentür klopfte. Das Gesicht von Madison erschien im Türspalt, beleuchtet von einer kleinen Laterne. Der Leutnant richtete sich in seiner Koje auf und war noch ganz benebelt vom Schlaf.
    »Was gibt es, Madison?«
    »Zwei Segel südlich, Mr Hayden«, sagte der junge Mann aufgeregt.
    Der Leutnant horchte auf. »Wie spät ist es?«
    »Kurz vor Sonnenaufgang, Sir.«
    Hayden rieb sich die Augen. »Könnten Sie bitte die Kerze anzünden? Ich bin gleich an Deck.«
    »Aye, Sir.«
    Kurz darauf eilte Hayden die Stufen des Niedergangs hinauf und nahm ein Fernglas von einem Midshipman entgegen. Blasse, rosafarbene Schlieren deuteten sich am östlichen Horizont an, doch am Firmament funkelten noch die Sterne. Einige auseinandergerissene Wolkenbänder zogen sich über den Himmel, dunkel wie Rauch. Hayden konnte noch den Sturm in der feuchten Luft spüren - die See war trübe und düster, und eine hohle Stille lag über dem Wasser.
    Weit im Süden konnte er zwei graue unregelmäßige Flecken am Horizont ausmachen. Angestrengt spähte er durch das Teleskop und lehnte sich an eine Karronade, als das Schiff rollte.
    »Man kann nicht sagen, wer sie sind. Aber vielleicht sind es französische Frachtschiffe, die vom Sturm abgetrieben wurden und nun eilig versuchen, einen westlichen Kurs einzuschlagen.

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