Unter feindlicher Flagge
Wir sollten uns die Schiffe genauer ansehen.« Schnell suchte er den Horizont weiter ab, ehe er das Fernglas sinken ließ. Auch Mr Barthe hatte man inzwischen geweckt. Müde tauchte er neben Hayden an der Reling auf.
»Was sagt das Wetterglas, Mr Madison?«, erkundigte sich Hayden.
»Es steigt.«
»Ausgezeichnet.« Mit geübtem Blick schätzte Hayden die See, den Himmel und den Wind ab. »Wir werden mehr Segel benötigen, Mr Barthe. Und wir müssen unseren Kurs ändern, um diese beiden Schiffe abzufangen: West-Südwest, würde ich sagen. In einer Stunde rufen wir die Mannschaft auf ihre Posten.« Er schaute hinauf zum Toppsegel. »Aber ich möchte, dass wir genau Ausschau halten. Es wäre gar nicht vorteilhaft, wenn wir plötzlich von einer Fregatte überrascht werden, die den Frachtschiffen Geleitschutz gibt.« Er deutete mit dem Teleskop auf den Horizont. »Oder wenn diese beiden sich doch als Fregatten erweisen, die nur auf einen einzelnen englischen Zweiunddreißiger gewartet haben.«
Die restlichen Midshipmen kamen jetzt an Deck und zogen sich die Jacken an. In der Eile hatten sie die Hüte vergessen.
»Sind dort Schiffe zu sehen, Sir?«, rief Wickham. Die Aufregung zeichnete sich auf den geröteten Mienen der jungen Männer ab.
»Haben Sie noch nie ein Schiff gesehen?«, knurrte Barthe, der die Aufregung offenbar nicht gutheißen konnte.
»Aber so nah vor Frankreichs Küste!«, fuhr Williams fort. »Dann können das doch nur Franzosen sein.«
»Oder Neutrale. Oder sie gehören zu einem englischen Geschwader. Es gibt viele Möglichkeiten.« Der Master warf noch einen Blick über die Schulter auf die Schiffe in der Ferne, die im matten Licht kaum zu erkennen waren. »An die Arbeit jetzt, und reißen Sie sich zusammen. Wahrscheinlich machen wir uns umsonst Gedanken.«
Die Midshipmen entfernten sich und gesellten sich zu ihrem wachhabenden Kameraden Madison.
Dann richteten sie alle ihre Teleskope auf die Segel in der Ferne. Wickham wandte sich leise an Madison. »Was hält Mr Hayden davon?«
»Er hat nur gesagt, dass wir sie uns einmal näher ansehen müssen ...«, wisperte der junge Mann, »... aber vermutlich sind es Frachtschiffe.«
Die jungen Männer tauschten sich weiterhin aufgeregt hinter vorgehaltener Hand aus und nickten sich eifrig zu.
Schließlich kamen Landry und Doktor Griffiths an Deck.
»Segel, Mr Hayden?«, fragte Landry.
Der Erste Leutnant reichte Landry das Teleskop und zeigte in die Ferne.
Der kleine Mann schaute einen Moment durch das Messingrohr und ließ es dann sinken. »Ich muss den Kommandanten informieren.«
»Er ist eben erst eingeschlafen, Mr Landry«, meinte Griffiths. »Könnten Sie nicht damit warten, bis Sie wissen, mit wem wir es zu tun haben? Wahrscheinlich gibt es keinen Grund, Kapitän Hart zu informieren.«
Landry stand unschlüssig da und schaute mit zerfurchter Stirn auf die Deckplanken. »Kapitän Harts Order lautet, ihn sofort zu rufen, sobald wir Schiffe sehen, die vielleicht eine Gefahr für die Themis darstellen.«
Hayden sah, dass Barthe die Augen verdrehte. »Wer kann das jetzt schon beurteilen«, sagte er. »Fahren wir ein bisschen dichter heran, und wenn wir dann immer noch unsicher sind, unter welcher Flagge sie segeln, können wir den Kommandanten immer noch wecken.« Doch dann hatte er sich lange genug in Geduld geübt und rief: »Großer Gott, Mr Landry, ist es denn nötig, dass wir den Kommandanten rufen, wenn wir uns mal die Nase putzen?«
»Mr Barthe!«, entgegnete der beleidigte Leutnant. »Ich halte mich nur an die Befehle! Sie müssten doch wissen, was es bedeutet, Kapitän Harts Missfallen zu erregen.«
»Und Sie glauben, Sie könnten sich seine Anerkennung sichern, wenn Sie ihm ein paar Segel am Horizont melden? Wir sind hier im Ärmelkanal! Hier trifft man wahrscheinlich auf jede Menge Schiffe!« Entnervt wandte sich Barthe an den Schiffsarzt. »Doktor, Sie sagen, der Kommandant hat sich noch nicht wieder ganz erholt?«
»Der Stein ist abgegangen«, sagte der Arzt vorsichtig, »aber Kapitän Hart muss sich nun ausruhen, denn sonst wird er nur wieder unter Migräne leiden.«
Der Master drehte sich wieder zu Landry um. »Es kann nicht schaden, ihn eine Weile in Ruhe zu lassen. Sollten wir die Verfolgung aufnehmen, werden wir ihn wecken. Stellt Sie das zufrieden?«
»Ich übernehme die Verantwortung«, sagte Hayden, da er Landrys Unsicherheit spürte.
»Oh, Kapitän Hart sucht sich immer einen Schuldigen aus, Mr Hayden«, erwiderte
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