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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Großsegel und die Fock wallend herunter und füllten sich augenblicklich im leichten Wind. Das Stundenglas wurde gedreht, und die Schiffsglocke ertönte. Die Stagsegel wurden an ihren Stagen gefahren. Das Schiff schwankte leicht und versteifte sich dann. Die Themis fuhr an dem Konvoi vorbei, und ihr neuer Anstrich, noch glänzend vom Regen, schimmerte matt im schwächer werdenden Licht.
    Der Anblick hatte etwas Verlorenes: Die vom Sturm durchgeschüttelten Schiffe lagen in der ruhigen Bucht vor Anker und sahen aus wie riesige Seevögel, die die Köpfe unter die Federn steckten. Nur die einzelne Fregatte glitt in den Ärmelkanal, als sich die Dunkelheit bedrohlich über das Land legte. Hayden spürte eine Mischung aus Stolz und Traurigkeit in sich aufsteigen: Er war stolz, dass sein Schiff auslief, um dem Feind zuzusetzen, und Traurigkeit - er wusste selbst nicht genau, warum. Dem Augenblick wohnte eine bedrückende Einsamkeit inne - auf allen anderen Schiffen drängte sich die Mannschaft wegen des Wetters unter Deck, nur die Fregatte lief aus.
    Die Themis war keine vier Meilen von der Küste entfernt, als der Wind abflaute. Das Schiff schlingerte leicht im Wasser, das immer noch vom Sturm aufgewühlt war. Hayden hielt sich an den Wanten des Besanmasts fest.
    »Sieh sich einer das an!«, fluchte der Master. Mit finsterem Blick suchte er den Horizont ab. »Und wo ist jetzt unser Wind?«
    »Er wird schon wieder auffrischen«, sagte Hayden, »und die See wird sich beim Flutwechsel wieder beruhigen.«
    Muhlhauser suchte ebenfalls Halt an den Wanten. Sein Gesicht war aschfahl und glänzte matt. »Und wieso sollte sich die See beim Gezeitenwechsel beruhigen?«, fragte er.
    Barthe wandte sich dem Erfinder zu und erklärte geduldig: »Wenn der Wind aus einer Richtung kommt, die Strömung aber entgegengesetzt läuft, kommt es zu hohen Wellen. Wenn aber der Flutwechsel einsetzt, wird die See schnell ruhig. Ich habe das schon oft erlebt. Sie nicht auch, Mr Hayden?«
    »Sehr oft, wie Sie sagten, Mr Barthe. Das Meer ist noch aufgewühlt vom Sturm. Die Wogen werden sich glätten.« Das Schiff rollte und stampfte furchtbar, und die Segel flatterten heftig. Hayden schaute nach oben.
    »Ich denke, wir sollten die Segel einholen, Mr Barthe, oder sie werden noch zerfetzt.«
    »Verflucht sei die See!«, schimpfte Barthe. »Mr Franks? Rufen Sie die Männer. Wir müssen die Segel einholen.«
    Die Wolken rissen auf, und die Sonne sank flammend ins Meer. Es war dunkel, als die Matrosen aus den Rahen kamen und die See mit übelsten Verwünschungen belegten. Bei dem schwankenden Schiff war die Arbeit dort oben anstrengend gewesen. Die Männer konnten erst spät die Mahlzeit einnehmen. Haydens Diener brachte Kaffee an Deck, den der Leutnant erst dann in Ruhe genießen konnte, als er sicher mit dem Rücken an der Reling lehnte.
    Nach etlichen Stunden des Schlingerns frischte der Wind aus Nord-West auf, und die Mannschaft setzte erneut die Segel. Bei günstigem Wind konnte die Themis ihren Kurs wieder aufnehmen.
    »Morgen früh erreichen wir die französische Küste«, sagte Hayden zu Wickham, der als Midshipman Wache hatte. »Wie schnell sind wir?«
    »Etwas weniger als vier Knoten, Sir«, meldete Wickham.
    »Nun, dann vielleicht erst gegen Nachmittag.«
    Die beiden standen an der Reling und blickten auf das abnehmende Licht am westlichen Horizont. Die vertrauten Geräusche des Schiffes boten etwas Trost, doch die einsamen Schreie der Möwen legten sich über das gleichbleibende Schäumen der Wellen am Bug.
    »Kommt Ihnen das nicht eigenartig vor, Sir?«, fragte Wickham. »Gegen das Volk Ihrer Mutter in den Krieg ziehen zu müssen, meine ich.«
    Die Frage kam überraschend für Hayden.
    »Tut mir leid, Mr Hayden«, sagte Wickham schnell. »War das zu persönlich?«
    »Keineswegs, Wickham. Das hat mich nur noch keiner gefragt. Ich glaube, bildlich gesprochen, zieht meine linke Hand in den Krieg gegen meine rechte Hand. Man kann Mitgefühl mit den Franzosen haben, doch nicht mit der Regierung. Denn ich muss zugeben, dass ich Verständnis für das französische Volk hatte, als sie Louis stürzten, aber die Revolution ist aus dem Ruder gelaufen - die sogenannten Führer der Revolution sind übereinander hergefallen. In Paris sind die Jakobiner und der Mob im Aufwind, und das wird, denke ich, noch zu großem Unrecht führen. Es ist unerlässlich, dass wir die Franzosen besiegen, ehe sie ihre blutige Revolution in Europa verbreiten - oder sogar bis

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