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Unter feindlicher Flagge

Unter feindlicher Flagge

Titel: Unter feindlicher Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Ihre Offiziere saßen auf Pferden.
    »Die Truppen der Revolution«, wisperte Hayden. »Wie gern würden sie ein paar englische Spione festnehmen.«
    »Wir sind keine Spione«, protestierte Wickham, der sich ein wenig beleidigt anhörte. »Wir sind Offiziere der britischen Navy.«
    »Ja, in Uniform. Aber so, wie wir aussehen, werden die uns für Spione halten.«
    Wickham sah ihn verblüfft an. »Und was steht auf Spionage in Frankreich?«
    »Im Augenblick bevorzugen sie die Guillotine.« Er sah, dass sich die Miene des jungen Mannes verdunkelte. »Aber machen Sie sich keine Sorgen, Lord Arthur. Ihr Vater sitzt im Oberhaus. Man würde Sie gegen andere Gefangene austauschen. Was Hawthorne und mich betrifft ...« Er zuckte mit den Schultern. »Im Augenblick dürften sie kein besonderes Interesse an englischen Spionen haben. Viele in der Bretagne unterstützten nicht die Konvention. Und als gute Papisten haben die Bretonen schon manch einen reaktionären Geistlichen versteckt. Die Militärpräsenz hat vermutlich nicht viel mit den Engländern zu tun.«
    In diesem Moment brach der Leutnant der Seesoldaten durch das Gebüsch. »Hier sind Sie«, flüsterte er und ging gleich neben Hayden in die Hocke. »Eins der Kinder lief in den Wald und entdeckte mich.«
    »Auch das noch!« Hayden kroch ein wenig von dem Baumstamm zurück. »Was hat das Kind gemacht?«
    »Keine Ahnung. Es rannte fort und kreischte wie eine irische Banshee.«
    »Sie beide bleiben hier«, befahl Hayden, kroch noch weiter zurück, stand dann auf und lief über den moosbewachsenen Waldboden. Das Sonnenlicht drang durch die Zweige. Auf einer Wiese saßen die Kinder und die jungen Frauen mit ängstlichen Mienen. Hayden holte das Fernrohr und das Buch aus der Tasche, setzte ein breites Lächeln auf und trat aus dem Schatten des Waldrands.
    »Bonjour, bonjour, mesdemoiselles.« Dann sprach er auf Bretonisch weiter. »Was für einen wundervollen Tag Gott uns geschenkt hat! Sonne und Wärme, und all seine Geschöpfe sind aktiv.« Demonstrativ hielt er das Glas und das Buch hoch und lächelte etwas verlegen. »Entschuldigt unser Herumschleichen. Meine Freunde und ich suchen die Samtkopf-Grasmücke, scorbutus canis. Man kann diese seltenen Vögel nur beobachten, wenn man sich ganz vorsichtig an sie heranpirscht. Die Samtkopf-Grasmücke ist sehr scheu.«
    Zu seiner Erleichterung sah er, dass die anfängliche Furcht auf den Mienen der jungen Damen Erheiterung wich.
    »Ach, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt.« Er vollführte eine edle, fast drollige Verbeugung. »Yves Saint Almond, zu Diensten.«
    Die Kinder kicherten, und die jungen Damen lächelten. Der bretonische Akzent und sein clowneskes Benehmen beruhigten sie.
    »Sie kommen aber nicht von hier«, bemerkte einer der älteren Jungen und musterte ihn argwöhnisch.
    »Wie aufmerksam du bist«, lobte Hayden das Kind. »Aber als ich so alt war wie ihr, war ich hier oft zu Besuch. Mein Onkel wohnte hier ganz in der Nähe.«
    »Wer mag das gewesen sein, Monsieur?«, wollte eins der Mädchen wissen. Die beiden jungen Damen ähnelten einander. Sie waren schlank und groß, hatten flachsblondes Haar, eine milchweiße Haut, die gleichen Augen und lustige Sommersprossen auf den rosigen Wangen.
    »Gabriel Saint Almond.«
    »Ah!«, rief die größere der beiden. »Die Saint Almonds sind weggezogen.«
    »Nach Arcachon«, sagte Hayden und sah, dass nun auch die letzten Zweifel aus den Gesichtern wichen.
    »Marie hat es das Herz gebrochen«, sagte das andere Mädchen und lachte, als die Gefährtin sie in die Seite knuffte.
    »Kennt ihr Guillaume?«, fragte Hayden unschuldig.
    Die Mädchen kicherten beide. »Ich bin Anne Petit«, sagte das größere Mädchen, »und das ist Marie, meine Cousine. Und die Kinder sind ein Rudel Wölfe, die unschuldige Lämmer suchen, die sie verschlingen können.«
    »Ja, ich dachte schon, dass sie gefährlich aussehen«, stimmte Hayden ernst zu. »Mein Freund sagte zu mir: ›Yves! Ich wurde von einem Rudel wilder Wölfe verfolgt!‹ Er war blass vor Schreck.«
    Die Kinder lachten.
    »Guillaume hatte einen englischen Cousin. Wussten Sie das?«, fragte Anne und betrachtete ihn eigenartig. »Auch er hatte zwei verschiedenfarbige Augen, Monsieur.«
    »Mein Cousin Charles!« Er zeigte wie beiläufig auf seine Augen. »Das liegt wohl in der Familie, mit den Augen, meine ich. Aber Charles ist jetzt in Amerika. Seine Mutter hat dort einen wohlhabenden Kaufmann geheiratet. Nun leben sie alle in

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