Unter feindlicher Flagge
Ihr Diener, Monsieur?«, fragte der Offizier. Zum ersten Mal hatte Hayden den Eindruck, einen Anflug von Aufregung in der Stimme des sonst so kühlen Mannes wahrzunehmen.
»Ich weiß es nicht«, sagte Hayden wahrheitsgemäß. »Wenn er einmal hinter einer Grasmücke her ist, dann hält ihn nichts mehr.«
Der Offizier drehte sich im Sattel um und schaute nach Norden, als unerwartet eine Gestalt aus dem Wald sprang und den Mann aus dem Sattel riss. Hawthorne und der Offizier überschlugen sich und rangen miteinander. Einen Moment lang drückte Hawthorne den Mann zu Boden, der um Hilfe zu rufen versuchte.
Der Leutnant der Seesoldaten versuchte, dem Gegner die Kehle zuzudrücken, aber dennoch entwich dem Offizier ein unterdrückter Schrei. Das Pferd trottete ein Stück weiter. Geistesgegenwärtig sprang Hayden seinem Gefährten zu Hilfe und hielt nun seinerseits den Franzosen am Boden fest. Erneut gelang es dem Offizier, um Hilfe zu rufen. Er setzte sich wie wild zur Wehr, bis er von einem schweren Gegenstand am Kopf getroffen wurde. Der Offizier rührte sich nicht mehr, und der Arm, den Hayden eben noch umklammert hatte, wurde schlaff.
Wickham stand über den am Boden ringenden Männern und hielt einen schweren Stein in den Händen. Bestürzung lag in der Miene des jungen Mannes. Hayden sprang auf, schaute sich hastig nach allen Seiten um und sah niemanden sonst, der Zeuge dieses Kampfes hätte sein können.
Hawthorne, der halb unter dem toten Franzosen lag, befreite sich nun, kam auf die Knie und rang nach Luft. Er blutete aus der Nase. Dann hielt er sich eine Hand vor die Augen und blinzelte.
»Sind Sie verletzt, Hawthorne?«
»Er hat mich am Auge getroffen.« Er schüttelte den Kopf, um wieder klar sehen zu können. »Aber es geht schon.«
Hayden behielt den befestigten Weg im Auge, befürchtete er doch, dass Soldaten nach dem Offizier suchten. Wickham starrte erschrocken auf den Toten und hatte immer noch den blutigen Stein in den Händen.
»Was sollen wir jetzt tun, Sir?«, flüsterte er beinahe. »Wir sind Spione und Mörder. Ich wollte ihn gar nicht töten, aber ich sah, dass er nach Ihrer Pistole griff.«
Erst jetzt fiel Hayden auf, dass seine Steinschlosspistole nur wenige Zoll von der Hand des Offiziers entfernt lag. Die Waffe musste ihm aus der Tasche gefallen sein.
»Verfluchter Mist!«, schimpfte er und steckte die Pistole wieder ein. Eher zufällig fiel sein Blick auf die blauen Augen des Toten. Er hatte den Mund noch geöffnet, den Blick starr auf den Himmel gerichtet. Seine Schädeldecke war zertrümmert und blutig, Arme und Beine waren seltsam verdreht.
Langsam stand Hayden auf und konnte sich einen Moment lang nicht von dem grausigen Bild lösen.
»Jetzt haben wir sie auf dem Hals, Mr Hayden«, sagte Hawthorne. »Sobald sie den Mann hier finden.«
»Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren.« Verzweifelt schaute er sich um, als suche er nach einer Möglichkeit, die verfahrene Situation zu retten. Dann zeigte er auf die Stelle im feuchten Boden, wo Wickham den Stein hochgehoben hatte. »Legen Sie den Stein wieder so hin, wie Sie ihn gefunden haben, Mr Wickham«, sagte er schnell. »Mit der lehmigen Unterseite nach unten. Ja, genau.«
Wickham tat, wie ihm geheißen, während Hayden die Grassoden rund um den Stein andrückte. Dann war er wieder auf den Beinen und betrachtete den Boden. »Wir müssen jetzt hier auf dem Weg bleiben, um unsere Spuren zu verwischen. Es muss so aussehen, als ob hier nur der Trupp Soldaten vorbeimarschiert ist. Keine Spur darf verraten, dass jemand bei dem Toten gestanden hat. Aber treten Sie nicht über die Hufabdrücke, denn der Reiter kam ja zuletzt, verstanden?« Wieder zeigte er auf den Boden. »Es muss so aussehen, dass sich das Pferd erschreckt hat, scheute und dann den Reiter abwarf. Dort ist Hawthorne aus dem Schutz der Bäume gesprungen, sehen Sie? Und hier hat sich das Pferd aufgebäumt, wie man an den tiefen Eindrücken der hinteren Hufe deutlich erkennen kann. Der Franzose wurde aus dem Sattel geworfen und stieß unglücklich mit dem Kopf gegen den Stein. Mit etwas Glück werden die Leute, die ihn finden, das Ganze für einen tragischen Unfall halten.«
Dann folgten sie dem Verlauf des befestigten Wegs und achteten darauf, immer über den Spuren der marschierenden Soldaten zu bleiben. Das Pferd war inzwischen zurückgekehrt und graste neben seinem Herrn, der in seiner blau-weißen Uniform am Boden lag.
»Hoffen wir, dass die jungen Damen und
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