Unter feindlicher Flagge
zu benutzen.
»Und was für Sprachen spricht ein so gebildeter Mann noch?«, bohrte der Offizier weiter nach.
»Nun, ein bisschen Hochdeutsch, Italienisch. Auch Spanisch, aber nur ein wenig besser als Latein.«
»Sprechen Sie auch Englisch?«
»Ich kann nach dem Weg fragen und mir eine Mahlzeit bestellen.«
»Wir suchen nämlich englische Spione. Letzte Nacht kamen drei Männer an Land, unweit von Crozon. Und jetzt müssen sie irgendwo in der Gegend sein.«
»Und wie sahen sie aus?«, fragte Hayden und kniff die Augen ein wenig zusammen.
»Warum fragen Sie?«
»Weil ich heute Morgen drei Männer sah, die nach Folgoit gingen. Sie schienen es eilig zu haben, ganz so, als würden sie verfolgt.«
»Ich werde in Folgoit nachfragen lassen. Wo sind Ihre Freunde jetzt, Monsieur?«
»Na, im Wald. Sie suchen die Grasmücke.«
»Es wäre eine Pflichtvernachlässigung, wenn ich nicht auch kurz mit ihnen sprechen würde. Ich hoffe, Sie sehen mir nach, wenn ich Sie störe.«
»Ja, die Pflicht ist eine strenge Herrin, Monsieur«, erwiderte Hayden gut gelaunt, »aber Sie können sich natürlich darauf verlassen, dass wir Ihnen in jeder Form behilflich sind.« Er schenkte dem Offizier ein Lächeln, obwohl ihm kalt ums Herz wurde. Es war ihm nicht gelungen, die Neugier des Mannes zu stillen. Hawthorne brauchte nur ein Wort auf Französisch zu sagen, und schon würden sie alle als Schwindler auffliegen. Hayden war sich nicht sicher, ob er es fertigbrachte, den Offizier hier vor den Augen der jungen Damen und einer Schar Kinder niederzuschießen. Hawthorne hingegen würde vielleicht nicht so viele Skrupel haben.
Hayden wandte sich schon zum Wald, aber ehe er einen Schritt machen konnte, sagte der Offizier: »Eins der Kinder kann Ihre Freunde holen, Monsieur.«
»Wie Sie wollen.« Hayden blieb stehen und versuchte, möglichst unbesorgt und ruhig zu wirken. Er hoffte, der Offizier möge nicht in die Tasche schauen, da die Pistole darin ein englisches Fabrikat war.
Zwei Jungen rannten in den Wald. Sie hatten offensichtlich keine Angst mehr vor den Fremden, da der französische Offizier zugegen war. Schon bald kehrten sie mit Wickham zurück.
»Ah, darf ich Ihnen meinen Neffen vorstellen, Pierre le Pennec«, sagte Hayden und legte Wickham eine Hand auf die Schulter.
»Monsieur«, sagte Wickham und machte eine kleine Verbeugung.
»Und woher stammen Sie?«, erkundigte sich der Offizier. Seine Miene blieb undurchdringlich.
»Aus Arcachon, Monsieur.«
»Verstehe. Und was macht Ihr Vater in Arcachon?«
»Mein Vater ist tot, Monsieur. Aber er war Anwalt.«
»Mein Beileid, aber ich muss fragen, wie er gestorben ist.«
»Die Ärzte nannten es Schwindsucht, aber ich glaube, dass sie in Wirklichkeit überfragt waren. Er wurde sehr krank und lag mehrere Wochen im Sterben.« Wickham senkte den Blick, als seien die Erinnerungen für ihn sehr schmerzvoll.
Der Offizier betrachtete den Jungen einen Moment und ließ nach wie vor keine Gefühlsregung erkennen.
»War da nicht noch einer?« Er ließ den Blick über die Kinderschar schweifen und erkannte den Jungen wieder, der zu ihm gelaufen war. »Ist dies hier der große Mann, der dir Angst eingejagt hat?«
Der Junge schüttelte den Kopf und war immer noch zu verängstigt, um zu sprechen.
»Der Diener meines Onkels ist auf der anderen Seite der Straße und jagt einen Vogel.«
»Dann gehen wir zu ihm«, sagte der Offizier. Er nahm den Hut ab und verabschiedete sich formvollendet von den Damen. »Mesdemoiselles.«
Kurz darauf ritt der Franzose langsam am Waldrand entlang, flankiert von den beiden englischen Spionen. Äußerlich ließ sich der Mann nichts anmerken, aber als er sich unbeobachtet wähnte, nahm er eine Pistole, die am Sattel befestigt war.
Hayden fragte sich, ob der Offizier ihn für einen Kleriker hielt oder für einen Adligen, der gekommen war, um die Bevölkerung der Bretagne aufzuwiegeln. Vielleicht hielt er sie aber doch für die englischen Spione. Und die eine Möglichkeit war für Hayden und seine Gefährten genauso gefährlich wie die andere.
Sie gingen über eine recht steile, grasbewachsene Böschung hinunter zum befestigten Weg. Eine Mauer aus Feldsteinen säumte den südlichen Bereich des Hangs. Weiter nördlich befand sich das Waldstück, in dem sich die drei versteckt hatten. In der Stille des Nachmittags ertönten Vogelstimmen aus dem Wald. Das Summen der Insekten überlagerte fast die leiser werdenden Trommelwirbel der Soldaten.
»Und wo steckt nun
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