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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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drehte mich ein wenig in seinen Armen, so dass ich ihn über die Schulter hinweg ansehen konnte.
    »Und was denkst du selbst?«, flüsterte ich.
    Ein seltsamer Ausdruck erschien auf seinem schönen Gesicht, ein Ausdruck, den ich nicht deuten konnte.
    »Als die Erzengel über mich urteilten, waren meine Gedanken nur bei dir«, sagte er langsam.
    Ich erschauderte. »In dem Moment, als sie sagten, sie würden dich bestrafen, dachte ich, mein Herz würde stehen bleiben.«
    »Ich weiß«, flüsterte Nathaniel, und seine Arme schlossen sich enger um mich. »Du hattest mehr Angst um mich, als um dich selbst.« Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang.
    »Das wusstest du doch schon«, murmelte ich leise.
    »Es war anders, deine Gedanken in der tatsächlichen Situation zu hören, im Angesicht unmittelbarer Gefahr … es wäre nur natürlich gewesen, wenn du mehr um dein eigenes Leben gefürchtet hättest, als um mich.«
    Ich schwieg. Es gab nur eine Erklärung für mein Verhalten – es waren die Worte, die ich niemals zu ihm sagen durfte.
    Ich drehte mich um und blickte wieder über die Stadt, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
    »Die Erzengel«, sagte ich langsam. »Sie waren so …« Ich verstummte.
    Allein die Erinnerung an ihre machtvolle Ausstrahlung jagte mir einen Schauer durch den Körper.
    »So wirken sie auf Sterbliche«, flüsterte Nathaniel verständnisvoll und drückte mich sanft an sich.
    »Der Engel mit der wechselnden Stimme … das war Gabriel, nicht wahr?«
    Nathaniel nickte. »Er muss dir sehr ungewöhnlich erschienen sein.«
    Für einen Moment war ich sprachlos.
    »Keine Ahnung, was du unter einem gewöhnlichen Erzengel verstehst«, sagte ich dann trocken. »Nicht gerade die Beschreibung, die ich gewählt hätte – aber ja, ich denke, ich fand ihn ungewöhnlich .«
    Nathaniel lachte leise.
    »Der Schlimmste war Uriel«, murmelte ich. »Er war so … dunkel. Ist es wirklich wahr, dass er aus der Hölle zurückgekehrt ist?«
    »So wird es sich erzählt«, nickte Nathaniel. »Jetzt ist er wieder einer der mächtigsten Erzengel.«
    Bei der Vorstellung, dass ein Engel in die Hölle verbannt wurde, auf sich allein gestellt zwischen Dämonen und Inferni, wurde mir ganz anders. Was war das bloß für ein Wesen, das aus den Tiefen der Hölle zurückgekehrt war?
    »Mach dir keine Sorgen wegen der Erzengel«, flüsterte Nathaniel und hielt mich sanft in seinen Armen. »Du wirst sie wohl nicht wiedersehen.«
    »Hoffentlich hast du Recht«, murmelte ich. »Das war mehr als genug für mich. Keine Erzengel mehr.«
    »Und was ist mit anderen Engeln?«, schmunzelte Nathaniel.
    Ich schmiegte mich an seine Brust. »Vielleicht mache ich eine Ausnahme. Für einen Bestimmten.«
    Wir blieben dort, bis es dunkel wurde, dann fuhren wir zurück in die Stadt. Als ich die Wohnungstür aufsperrte, hielt ich überrascht inne.
    »Inferni?« Nathaniel schob sich schützend vor mich.
    Ich hielt ihn am Arm zurück. Schlimmer, dachte ich.
    »Wo warst du die ganze Nacht, junge Dame?« Ludwig erschien in der Tür zum Wohnzimmer, die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Äh … bei Anne«, antwortete ich geistesgegenwärtig und setzte eine möglichst unschuldige Miene auf. »Ich war gestern bei ihr zu Besuch und es ist spät geworden. Ich wusste nicht, dass du nach Hause kommst.«
    Ludwig brummte etwas Unverständliches und blickte mich zweifelnd an.
    »Wie war es in Hong Kong?«, fragte ich arglos, während ich Jacke und Stiefel auszog. »Alles gut gelaufen?«
    »Ja«, murmelte er und ich konnte sehen, wie der Gedanke an das abgeschlossene Geschäft den Ärger aus seinem Gesicht vertrieb. »Der Vertrag ist endlich unterschrieben.«
    Nathaniel stand zwischen uns und ermunterte mich mit einer stummen Geste, mit Ludwig ins Wohnzimmer zu gehen.
    Ich seufzte innerlich. Doch ich war in versöhnlicher Stimmung.
    »Willst du eine Tasse Tee?«, fragte ich.
    Ludwig blickte mich überrascht an. »Warum nicht«, sagte er zögernd.
    Nathaniel lehnte am Türrahmen und hatte aus irgendeinem Grund ein Lächeln auf den Lippen.
     
    »Ich kann es nicht fassen, dass das Tribunal erst einen Tag her ist«, murmelte ich, als ich Stunden später frisch geduscht und im Schlafanzug unter meine Decke schlüpfte.
    Meine kleine Nachttischlampe erhellte den Raum gerade so viel, dass Nathaniels Flügel leicht glitzerten. Er setzte sich auf mein Bett und nahm meine Hand in seine.
    »Obwohl ich den halben Tag geschlafen habe, bin ich todmüde.« Ich sank entspannt in die

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