Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
Vom Netzwerk:
sich um Hausarbeiten handelte. »Sehr kreativ, das hier, wirklich. Zwar nicht die gleiche Ansicht wie Isaac Newton, aber …« Er brach ab, und sah mich an. »Was kann ich für dich tun?«
    Ich holte tief Luft und hoffte, dass das, was ich sagen wollte, sich nicht vollkommen verrückt anhören würde. »Ich habe darüber nachgedacht, was Sie vorgestern zu mir gesagt haben. Darüber, wie nützlich diese ›Orte–ohne–den–Rest–der–Welt‹ sind.«
    Wagner lächelte gutmütig. »Ja, hin und wieder kommen sie einem sehr gelegen.«
    Ich nickte nervös. »Ich habe mich gefragt, wie es wäre, wenn man einen solchen Ort mitnehmen könnte.«
    »Mitnehmen?« Wagner zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Ein transportabler ›OodRdW‹?« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überlegte. »Ich denke, das wäre sehr praktisch. Ein wenig sperrig jedoch, so einen Ort zu transportieren, meinst du nicht?«
    Ich biss mir zögernd auf die Unterlippe. »Es geht doch darum, etwas Schlechtes fernzuhalten, oder? Was ist, wenn etwas anderes denselben Zweck erfüllt, wie ein Ort? Etwas, das klein genug ist, um es bei sich zu tragen?«
    »Was meinst du?«
    Ich holte tief Luft. »Was denken Sie über Glücksbringer?«
    Wagner schaute mich überrascht an. »Glücksbringer? Du meinst Maskottchen und vierblättrige Kleeblätter?«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich meine eher so etwas wie … schützende Amulette.« Ich machte mich bereit, von Wagner ausgelacht zu werden, oder, im besten Fall, für eine Rede über die Unsinnigkeit von Aberglauben. Doch ich hatte mich geirrt; Wagner dachte schweigend über meine Frage nach.
    »Die Vorstellung, dass von Gegenständen schützende Kräfte ausgehen können, ist sehr alt«, sagte er schließlich. »Es gibt sie in fast allen Kulturen. Wie kommst du auf den Gedanken?«
    Weil Kaster mir den Flügel umgehängt hat, als er mich gewarnt hat, zum Wrack zu gehen, dachte ich. »Nur so eine Idee. Schließlich kann man sich nicht ewig in einem ›OodRdW‹ verstecken.«
    »Das kann man schon«, widersprach Wagner. »Nicht in einem Physikkämmerchen, natürlich, aber es gibt ja noch andere ›OodRdW‹. Doch man würde eine Menge versäumen, meinst du nicht?«
     
    Während der Bus an den Gärtnereien vorbei und durch das Industriegebiet zuckelte, lehnte ich meinen Kopf ans Fenster und fuhr mit meinen Fingern über den goldenen Anhänger an meinem Hals. Wir kamen an dem Autowrack vorbei, das jetzt schon die Erinnerung an zwei miese Ereignisse hervorrief: an den Unfall und den Überfall.
    Andererseits gab es da auch jene Erinnerungen, die mich nicht mehr losließen. An den blonden Mann, der mich gerettet und beschützt hatte.
    Zwei Mal.
    »Warum bin ich nicht überrascht, dich zu sehen?«, seufzte Kaster, als er mir die Tür öffnete.
    »Sie wollen mir nichts über ihn sagen … gut, daran kann ich nichts ändern.« Ohne auf eine Einladung zu warten, marschierte ich direkt an Kaster vorbei hinein ins Haus.
    »Sehr richtig«, sagte Kaster, und fügte ironisch hinzu: »Bitte komm doch herein.« Er schloss die Tür.
    Ich stand mitten in seinem Wohnzimmer, die Hände herausfordernd in die Hüften gestemmt. »Also stelle ich Ihnen eine andere Frage: Warum haben Sie darauf bestanden, dass ich die Kette trage, bevor ich zu dem Wrack gegangen bin?«
    »Ich bin sicher, den Grund wirst du mir gleich nennen«, erwiderte Kaster gedehnt. »Kann ich dir etwas anbieten? Tee? Manieren?«
    »Manieren? Sie sind doch derjenige, der mich bewusst im Dunkeln tappen lässt!«
    »Du hast keine Ahnung, in was du da hineingeraten bist«, knurrte Kaster. »Im Dunkeln zu tappen ist deine einzige Hoffnung.«
    Ich starrte ihn an. So leicht würde ich mich nicht geschlagen geben. »Ich weiß mehr, als Sie denken. Er ist zwei Mal an derselben Stelle aufgetaucht. Und ich hatte beide Male den Anhänger dabei. Der Zusammenhang ist also entweder der Ort, oder der Anhänger.« Ich sah Kaster herausfordernd an. »Was würde passieren, wenn ich jetzt mit dem Anhänger wieder dorthin ginge?«
    Der Friedhofswärter sah mich an wie ein Psychiater seine Patientin und schüttelte den Kopf. »Probier es doch aus«, brummte er gleichgültig. »Geh schon.«
    Ich zögerte irritiert. Ich hatte erwartet, dass Kaster versuchen würde, mir die Idee auszureden.
    »Na los«, sagte er. »Steh dort von mir aus so lange herum, wie du willst. Aber lass mich in Ruhe mit diesem Unsinn.«
    Zögernd ging ich an ihm vorbei, und verließ das Haus. Bevor ich

Weitere Kostenlose Bücher