Unter goldenen Schwingen
verdammt.
Verdammt, verdammt, verdammt.
»Danke. Ich freue mich, dass du keine Angst mehr vor mir hast«, sagte er leise.
Knallrot. Das war meine Gesichtsfarbe.
»Ich habe nie gefürchtet, dass du mir etwas antun könntest«, murmelte ich, ohne ihn anzusehen. Ich wusste instinktiv, dass es ihm unmöglich war, mich zu verletzen. Das war wie ein Naturgesetz.
»Ja«, sagte er leise. »Genau so ist es.«
» Das ist es, was mir Angst macht! Ich fühle mich wie aus Glas, als wären alle meine Gedanken und Gefühle vor dir ausgebreitet! Weil die meisten nun einmal von dir handeln …« Ich sah keinen Sinn darin, zu versuchen, das Offensichtliche zu verleugnen. Trotzdem wich ich seinem Blick aus, weil mir bei diesem Geständnis wieder die Röte ins Gesicht schoss. Mittlerweile musste er glauben, dass das meine ständige Gesichtsfarbe war. »Es ist beängstigend für mich, dass du alles von mir weißt. Ich fühle mich so … ausgeliefert.« Ich konnte ihn nicht ansehen, als ich das letzte Wort aussprach.
Er schwieg einen Moment und dieses Schweigen bestätigte meine Befürchtung.
Ich hatte ihn verletzt.
»Ich bin seit deiner Geburt an deiner Seite«, flüsterte er. »Du brauchst vor mir nichts zu verbergen.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Es tut mir leid, dass du dich bloßgestellt fühlst. Ich wünschte, ich könnte meine Fähigkeit, deine Gedanken zu hören, verlieren, um dich glücklich zu machen. Aber leider liegt das nicht in meiner Macht.«
Einen Moment lang war ich wie erstarrt.
»Du würdest es aufgeben?« fragte ich leise.
»Es gibt nichts, das ich nicht für dich tun würde.« In seiner Stimme lag tiefe Sehnsucht. Er zögerte, bevor er weitersprach, und seine Stimme klang gezwungen. »Wenn dir meine Gegenwart unangenehm ist, kann ich das verstehen. Wenn du meine Anwesenheit also nicht mehr wünschst …«
»Bist du verrückt?« Die Worte kamen so rasch aus meinem Mund, dass ich mich beinahe verhaspelte. »So schlimm ist das Gedankenlesen nicht. Ich komme damit zurecht, wirklich! Bitte geh nicht …«
Das sanfte Lächeln, das mir inzwischen so vertraut war, erschien langsam auf seinen Lippen.
»Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte er. »Ich verspreche dir, dass ich dich nicht mehr auf deine Gedanken ansprechen werde. Dann ist es fast so, als ob ich sie nicht hören könnte.« Er hielt sich bereits daran und blickte mich schweigend an, als erwartete er meine Antwort.
»In Ordnung«, sagte ich schnell. Ich wäre auf alles eingegangen, nur, damit er bei mir blieb.
Er lächelte zufrieden.
»Also … gehst du nicht weg?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Hast du heute nicht schon genug von mir gesehen? Ich fürchte, du wirst meiner noch überdrüssig.«
»Das wird nie passieren«, murmelte ich, während ich durch den Flur zu meinem Zimmer ging. An meiner Tür blieb ich stehen und beobachtete nervös, wie er eintrat und sich interessiert umsah.
»Ich … äh … bin gleich wieder da.« Ich schnappte meinen Schlafanzug und verschwand im Bad. Ohne wirklich darauf zu achten, was ich tat, zog ich mir einbeinig hüpfend die Jeans aus, während ich mir die Zähne putzte. Ich sprang unter die Dusche, zog dann schnell meinen Schlafanzug über und beeilte mich, zurück in mein Zimmer zu kommen. Zum ersten Mal war ich froh darüber, dass Ludwig so selten zu Hause war.
Nathaniel lehnte entspannt an meinem Schreibtisch, vertieft in die Betrachtung der Fotos an meiner Wand. Ich setzte mich nervös auf mein Bett und starrte ihn an, wie er golden schimmernd mitten in meinem Zimmer stand. Seine herrlichen Schwingen reichten bis zum Boden.
»Das ist verrückt«, flüsterte ich.
Er nickte langsam.
»Wird es von nun an immer so sein?«, fragte ich leise.
»Was meinst du? So seltsam?« Seine schönen Augen funkelten scherzend. »Ich hoffe nicht.«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich meine, wirst du von nun an immer bei mir sein, wenn ich deinen Schutz brauche, oder …?« Ich wurde wieder rot.
Er sah mich ruhig an. Das amüsierte Funkeln verschwand aus seinen Augen. »Ich gehöre an deine Seite. Es wird immer so sein. Wenn du es willst.«
»Pass auf, was du sagst«, murmelte ich. »Kann sein, dass ich dich nie wieder gehen lasse.«
Er schmunzelte und mein Herz schlug schneller.
Ich beugte mich zu meinem Nachttisch, schaltete die kleine Lampe ein und drehte das Deckenlicht ab. Der kleine Lichtkegel tauchte den Rest des Zimmers ins Halbdunkel. Nathaniels Flügel glitzerten im schwachen Lichtschein, als er
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