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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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sich und hüllte ihn ein wie ein gleißender Schild aus Licht.
    Eingeschüchtert wich ich zurück. Das Gleiche hatte ich gespürt, als er mich bei dem Überfall verteidigt hatte – doch diesmal konnte ich auch sehen, was ich damals nur gefühlt hatte. Und ich verstand, warum meine Angreifer sofort vor ihm geflohen waren.
    Er stand vor mir wie aus brennendem Gold und streckte seine Hand nach mir aus. Ich stand da, regungslos wie eine Statue. Er wartete geduldig bis ich den Mut fand, meine Hand in seine zu legen. Als ich ihn berührte, prickelten die goldenen Flammen kühl auf meiner Haut. Ich ließ mich von ihm an seine Seite ziehen und er legte seinen Flügel um mich.
    Dann schritt er mit mir die Stufen hinunter in Richtung Park.
    Der schreckliche Verwesungsgeruch stieg mir in die Nase. Ich hielt den Blick gesenkt, ließ mich von Nathaniel den dunklen Parkweg entlangführen und blickte kein einziges Mal auf. Was ich jedoch hörte, konnte ich nicht ausblenden, und es jagte mir einen kalten Schauer über den Körper.
    Zornerfülltes Flüstern begleitete uns, als die Kreaturen auseinanderstoben, schlurfend und zischend vor Nathaniels Licht flohen und sich in der Dunkelheit verkrochen. Sie waren wütend, das konnte ich deutlich spüren, doch sie konnten Nathaniels Schild nicht durchbrechen.
    Er hielt sein Versprechen. Keines der Geschöpfe kam mir nahe.
    Nach unendlichen Minuten wurde der Weg unter meinen Füßen wieder von Straßenlaternen beleuchtet. Das Zischen und Flüstern um uns herum hatte aufgehört und die kalte Nachtluft war frei von Verwesungsgestank. Ich atmete tief durch und blickte auf.
    Die Lichter der Straße fielen auf den Gehweg entlang der Universität und ich hörte die Motorengeräusche der Autos. Ich seufzte vor Erleichterung. Obwohl es bitterkalt sein musste, fror ich nicht, denn Nathaniels Flügel umhüllte mich wie ein schützender Mantel. Ich achtete gar nicht darauf, wohin er mich führte, bis wir in eine Seitenstraße einbogen und plötzlich vor meinem Wagen standen. Er ließ seine Hand über die Fahrertür gleiten und öffnete sie für mich.
    Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er von mir erwartete.
    »Ich soll nach Hause fahren?«, fragte ich. »Jetzt?«
    Ganz allein? fügte ich in Gedanken hinzu. Ich zweifelte stark daran, dass ich in meinem Zustand überhaupt fähig war, ein Auto zu lenken. Ich hatte das Gefühl, am ganzen Körper zu beben. Ganz abgesehen davon, was, wenn diese Kreaturen wieder auftauchten? Unruhig blickte ich ihn an.
    Nathaniel lächelte. Es war ein Lächeln, das seine Augen zum Strahlen brachte.
    »Ich lasse dich nicht ganz allein .« Er zwinkerte mir zu, während er mich sanft auf den Fahrersitz schob.
    Dann schloss er die Autotür und ich wartete. Was hatte er vor? Mir schoss das Bild durch den Kopf, wie er sich mit seinen großen Flügeln in meinen Mini Cooper zwängte. Draußen hörte ich ihn leise lachen. Ich drehte den Kopf, um ihn durch das Fenster anzusehen – und mein Atem stockte.
    Ich sah gerade noch, wie er sich mit einer geschmeidigen Bewegung in die Luft schwang, ein Wirbel aus weißem und goldenem Licht, der sich mühelos über meinem Wagen hielt. Durch die Windschutzscheibe und das Seitenfenster konnte ich Blicke auf ihn erhaschen. Ich lehnte mich im Fahrersitz zurück und kramte mechanisch in meiner Tasche nach dem Autoschlüssel.
    »Er fliegt«, murmelte ich zu mir selbst. »Natürlich fliegt er.«
    Was denn sonst?
    Ich manövrierte den Wagen aus der Parklücke und lenkte ihn überraschend sicher auf die Hauptstraße. Alle paar Sekunden lehnte ich mich nach vorne oder blickte aus dem Seitenfenster nach oben, um den Wirbel aus Weiß und Gold zu betrachten. Nathaniel hielt mühelos mein Tempo und keinem Passanten, keinem Autofahrer schien aufzufallen, dass jemand mit großen glitzernden Flügeln über meinem Auto schwebte.
    Nachdem ich vor unserem Haus geparkt hatte, landete er lautlos neben mir und öffnete die Autotür für mich. Er strahlte jetzt nicht mehr so hell wie im Park an der Universität. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen, als ich ihn immer wieder anstarrte, doch er sagte nichts. Als wir die Wohnung erreicht hatten, drehte ich mich erwartungsvoll zu ihm um.
    Er blieb an der Tür stehen. »Du bist jetzt in Sicherheit. Ruh dich ein wenig aus.«
    Entsetzen durchfuhr mich bei diesen nach Abschied klingenden Worten.
    »Wann werde ich dich wiedersehen?«
    »Du kannst mich rufen, wann immer du möchtest.«
    »Wirklich?«

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