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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Luca
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All die Fragen, die ich mir gestellt hatte, all die frustrierenden Nachforschungen der letzten Tage, und die Lösung hätte so einfach sein können?
    Ich hätte ihn nur zu rufen brauchen?
    »Ganz so einfach ist es nicht.«
    Es war mir unangenehm, wenn er direkt auf meine Gedanken antwortete. »Dann erklär es mir«, bat ich, den Blick auf den Boden geheftet.
    »Damals wusstest du noch nicht, wer ich bin. Jetzt ist es anders. Du kennst meinen Namen. Ruf mich, wenn du mich brauchst, und ich werde zu dir kommen.«
    Ich blickte ihn zweifelnd an. »Versprichst du es?«
    »Vertraust du mir?«
    »Ja«, sagte ich automatisch. »Das hast du mich schon einmal gefragt …«
    »Das tust du nicht«, unterbrach er mich. »Nicht in dieser Sache.«
    Wie ich dieses Gedankenlesen hasste! Ich verschränkte die Arme und presste die Lippen aufeinander.
    »Es gibt nur einen Weg, es herauszufinden, nicht wahr?«, sagte er gelassen.
    Ich funkelte ihn zornig an. »Und welcher wäre das?«
    »Schließ die Tür.«
    Ich wich seinem Blick aus und starrte die Tür an.
    »Victoria, schließ die Tür.«
    Ich biss mir auf die Lippen.
    »Du hast gesagt, du vertraust mir. Schließ die Tür.«
    Ich zögerte.
    »Schließ die …«
    »Schon gut, schon gut, ich mach’s ja!« Bevor ich die Tür zuknallte, sah ich den Anflug eines Grinsens auf seinem Gesicht.
    Ich riss die Tür wieder auf – und blickte in den leeren Flur.
    »Wenn er nie wieder auftaucht, bringe ich ihn um«, murmelte ich, während ich die Tür ins Schloss drückte.

EIN NEUES LEBEN

    Ich stand im Vorzimmer und sah mich in der leeren Wohnung um. Aus dem Wohnzimmer klang das Ticken der Wanduhr.
    »Nathaniel?« Ich hielt den Atem an und lauschte. Nichts. »Nathaniel?«
    Wie konntest du nur denken, dass er wirklich auftauchen würde? sagte eine Stimme in meinem Kopf. Wahrscheinlich wirst du ihn nie wiedersehen.
    Eine Welle der Enttäuschung schlug über mir zusammen.
    »Ein bisschen mehr Vertrauen, bitte.«
    Ich riss den Kopf hoch – da stand er, an die Küchentür gelehnt, wunderschön und golden schimmernd, ein gelassenes Lächeln im Gesicht.
    Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Aber ich stand nur da und grinste ihn an. »Das hat ja gedauert«, zog ich ihn auf. »Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr auf.«
    »Ich hatte keine Wahl«, sagte er ernst. »Schließlich hast du gedroht, mich umzubringen.«
    »Das hast du gehört?«
    »Ich bin ja nicht taub. Ist dir klar, dass du einen Engel erpresst hast?«
    Ich erschrak, als ich die Zornesfalte zwischen seinen Augenbrauen sah. »Ich … wollte nicht …« Dann verstummte ich. Seine Augen funkelten amüsiert. »Du machst dich über mich lustig!«
    »Nur ein wenig«, erwiderte er mit einem hinreißenden Lächeln.
    Ich streifte mir entrüstet die Schuhe ab. Trotz meiner Verärgerung konnte ich nicht gegen die unwiderstehliche Versuchung ankommen, ihn anzusehen. Schon hob ich wieder den Kopf.
    Der schelmische Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden. Er war so schön, dass ich vollkommen vergaß, ihm eine passende Antwort entgegenzuschleudern. Ich betrachtete seine ebenmäßigen Gesichtszüge, seine strahlenden Augen, und verlor mich in seinen perfekt geschwungenen Flügeln, die bis zum Boden hinunterreichten. In den schneeweißen Federn funkelte es, als wären sie voller Diamanten. Ich fragte mich, wie sie sich wohl anfühlten …
    »Victoria?« Sein erstaunter Tonfall holte mich wieder zurück in die Gegenwart und ich sah den fragenden Ausdruck in seinem Gesicht.
    Hitze stieg mir in die Wangen.
    »Warum hast du mich gerufen?«
    »Warum ich … ? Äh … brauche ich einen Grund?«
    Er nickte. »Akute Lebensgefahr, im Allgemeinen.«
    »Oh …« Verdammt. »Du sagtest, ich sollte es versuchen …« Ich deutete verwirrt Richtung Wohnungstür. Dann begriff ich. »Oh … du meintest nicht sofort …«
    Er überkreuzte in aller Ruhe die Beine. »Ich sehe hier keine unmittelbare Bedrohung.«
    Ich blickte hilflos durch die Tür ins Wohnzimmer, wie in der Erwartung, eine plötzliche Gefahr aus dem Nichts zu entdecken. Mein Blick fiel auf unser Piano. »Ich … äh … könnte Klavier spielen … dann hättest du deine Bedrohung«, stammelte ich, in dem verzweifelten Versuch, irgendwie die Oberhand in diesem Gespräch zu gewinnen, und dabei cool zu wirken.
    Es war erbärmlich.
    Ich fühlte mich wie ein Idiot, doch auf seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen.
    Er ist wunderschön , schoss es mir durch den Kopf.
    Oh,

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