Unter goldenen Schwingen
fallen‹?«
»Sera ist eine unverbesserliche Optimistin«, stieß Nathaniel zwischen den Zähnen hervor. »Hier wird niemand fallen.«
Ich wandte mich entnervt an den bronzenen Engel. » Kann mir endlich jemand erklären, worum es hier geht? «
Nathaniel schoss ihm einen warnenden Blick zu, doch Ramiel ließ sich nicht einschüchtern.
»Sie muss es erfahren«, sagte er leise. »Der Fall bedeutet, dass ein Engel verstoßen wird. Es ist die höchste Strafe, die es für uns gibt. Ein Todesurteil.«
Ich erstarrte vor Entsetzen.
»Genug!« Nathaniels Stimme schallte laut durch die Kapelle.
»Es gibt keinen Grund, Victoria in Panik zu versetzen, bevor das Tribunal überhaupt beschlossen wurde!« Sein Gesichtsausdruck war voller Zorn. »Wir sind hier, um über die Inferni zu sprechen. Sie sind es, die Victoria Angst machen, und wir sollten etwas dagegen unternehmen.«
Um ehrlich zu sein, hatte ich die Inferni vollkommen vergessen.
»Er hat Recht«, sagte Ramiel zu Seraphela. »Solange das Tribunal nicht beschlossen wurde, sollten wir uns mit dringenderen Problemen befassen, und die haben wir.«
Seraphela verschränkte die Arme und fixierte Ramiel mit ihren blauen Augen. Sie erinnerte mich stark an Melinda Seemann, die einen ähnlichen Gesichtsausdruck gehabt hatte, als wir in ihrem Büro über die Inferni gesprochen hatten.
Ich erstarrte. Wie hatte ich das nur vergessen können? Seraphela wollte gerade gegen Ramiels Meinung protestieren, doch Nathaniel kam ihr zuvor.
»Die Inferni sind unser dringendstes Problem. Solange sie nicht aufhören, Victoria anzugreifen …«
»Was ist, wenn sie gar nicht aufhören können?«, unterbrach ich ihn mit leiser Stimme.
Es wurde schlagartig still in der Kapelle.
»Mir ist gerade etwas eingefallen, das Melinda Seemann zu mir gesagt hat.« Mein Magen krampfte sich zusammen. »Sie sagte, dass der Überfall in der Bibliothek eine Mission war.«
Nathaniel erstarrte, als wäre er vom Blitz getroffen worden. »Warum hast du mir das nicht früher gesagt?«, flüsterte er.
»Ich weiß nicht«, murmelte ich. »Ich habe nicht verstanden, was sie gemeint hat …«
Die drei Engel wechselten düstere Blicke. Keiner sprach ein Wort.
»Was … hat sie denn damit gemeint?«, fragte ich leise.
Alle drei schwiegen. Es schien mir wie eine Ewigkeit. Schließlich war es Nathaniel, der mir antwortete.
»Ich will, dass du weißt, dass die Inferni dir nichts anhaben können, wenn ich bei dir bin«, sagte er langsam. »Verstehst du das, Victoria?« Er sah mir eindringlich in die Augen.
Ich nickte zögernd. Die Art, wie er sprach, gefiel mir gar nicht. »Warum sagst du das?«
»Damit du weißt, dass du nichts zu befürchten hast, wenn wir dir gleich etwas erklären«, erwiderte er dunkel.
»Melinda Seemann hat nicht den Überfall in der Bibliothek gemeint«, sagte Ramiel. »Sie hat von deinem Autounfall gesprochen.«
Ich wartete unruhig auf die nächsten Worte – auf eine Erklärung, die folgen würde, eine Erklärung, von der ich jetzt nicht mehr sicher war, ob ich sie hören wollte.
»Du hast mich gefragt, was die Inferni wollen«, sagte Nathaniel langsam. »Sie wollten deinen Tod, Victoria. Und wie es aussieht, wollen sie ihn immer noch.«
Auf seinem schönen Gesicht lag ein Ausdruck tiefer Besorgnis. Seine Worte klangen düster in meinem Kopf nach. Es machte einen Unterschied, nur eine vage Ahnung zu haben, die man verdrängen konnte, oder die Worte tatsächlich aus seinem Mund zu hören.
»Das ist ihre Mission?«, fragte ich zitternd.
»Anscheinend sind sie der Meinung, dass du ihnen gehörst«, sagte Ramiel mit ruhiger Stimme. »Sie hatten dich bereits in ihren Klauen, in den Wochen und Monaten vor dem Autounfall, als es dir schlechter und schlechter ging …«
Unter Ramiels Einfluss schien plötzlich alles einen Sinn zu ergeben, alles rückte sich in meinem Kopf an die richtige Stelle, und ich glaubte, endlich zu verstehen.
»Ich hätte bei dem Autounfall sterben sollen«, murmelte ich. Es war eine Erkenntnis, deren Tragweite ich bisher nicht begriffen hatte.
Ramiel nickte langsam. »Das war ihr Ziel. Sie hatten dich so weit gebracht, dass du die Kontrolle über den Wagen verloren hattest, und beinahe gestorben wärst.«
»Doch Nathaniel hat mich gerettet«, murmelte ich und weitere Puzzleteile fügten sich in meinem Kopf zusammen. »Und jetzt wollen sie es zu Ende bringen?«
Ramiel nickte düster. »Es missfällt ihnen, dass er dich gerettet hat, und es missfällt ihnen
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