Unter goldenen Schwingen
du ihm jemals bedeuten dürftest. Er weiß es, und er weiß auch, dass es eine Unverzeihliche Tat ist, auf die der Fall steht. Er glaubt, dass du nicht so für ihn empfindest.«
Ich starrte sie mit großen Augen an.
»Der Schild«, murmelte ich leise.
Melinda nickte. »Er hat sich damit abgefunden, dass du seine Gefühle, die gar nicht existieren dürfen, niemals erwidern wirst.«
»Sie glauben, dass er … etwas für mich empfindet?«, fragte ich heiser und fühlte, wie heftig mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmerte.
Ein leichtes Lächeln erschien auf Melindas Lippen.
»Dass du ihn erkannt hast, war mehr, als er jemals zu hoffen gewagt hatte. Es hat ihn sehr stolz und glücklich gemacht.« Dann wurde sie wieder ernst. »Wenn der Schild fällt und er deine Gefühle für ihn spürt, wäre das fatal. Es gäbe ein Tribunal und die Erzengel würden seinen Fall beschließen. Lazarus hätte gewonnen, und du hättest Nathaniel für immer verloren.«
»Warum zerstört Lazarus den Schild nicht einfach?«
»Vielleicht kann er das aus irgendeinem Grund nicht«, sagte sie nachdenklich. »Oder vielleicht genießt er es auch, mit deiner Angst zu spielen. Doch Dämonen sind launisch. Wenn er die Geduld verliert, wird er alles daran setzen, den Schild zu vernichten.«
»Also muss ich ihm zuvorkommen und ihn aufhalten«, murmelte ich.
»Dafür wirst du sehr viel mehr brauchen, als nur deine Entschlossenheit.« Sie zog eine Halskette unter ihrem Rollkragenpullover hervor, nahm sie ab und reichte sie mir schweigend über den Tisch.
Es war eine zierliche Silberkette mit einem kleinen, kristallenen Stift als Anhänger. Im Inneren des Stifts funkelte etwas Dunkles, so fein wie ein Haar. Es sah aus wie ein schwarzer Diamant, in dem sich das Licht brach.
»Was ist das?« Ich betrachtete den ungewöhnlichen Anhänger.
»Etwas, das dir helfen wird, bei Verstand zu bleiben, wenn Lazarus in deinen Träumen auftaucht«, erwiderte Melinda. »Es ist ein Fragment von der Feder eines mächtigen Engels.«
Ich starrte sie sprachlos an.
»Trag es bei dir«, sagte sie. »Es wird Lazarus‘ Macht über dich vermindern.« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Ich würde es kein ausgeglichenes Kräfteverhältnis nennen, aber so hast du wenigstens eine Chance.«
»Vielen Dank«, murmelte ich und legte die Kette um den Hals. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll …«
Ein seltsamer Ausdruck trat in Melindas Gesicht. »Es genügt, wenn du diesem dämonischen Mistkerl in den Hintern trittst.«
Überrascht von ihrer Ausdrucksweise nickte ich nur stumm.
»Du musst unter allen Umständen verhindern, dass es zu einem Tribunal kommt«, fuhr sie fort, wieder in ihrer gewohnten, aristokratischen Art. »Mir ist nicht bekannt, dass ein Engel jemals mit einer Unverzeihlichen Tat davongekommen wäre.«
Ich hatte das Gefühl, als lägen Tonnen Steine auf meinem Herzen.
»Dafür ist es zu spät«, murmelte ich düster. »Es wurde bereits beschlossen.«
Melindas Augen weiteten sich entsetzt. »Aber ich dachte, der Schild …?«
»Nicht deswegen.« Ich schüttelte den Kopf und versuchte, ein halbherziges Lächeln zu Stande zu bringen. »Meine Gefühle für ihn sind nicht unser einziges Problem. Bei diesem Tribunal geht es darum, dass er mich bei dem Autounfall gerettet hat.«
Melindas begriff, was ich meinte.
»War das etwa … nicht befohlen ?«, fragte sie leise.
Ich nickte.
Melinda griff sich mit der Hand an die Schläfe und schloss die Augen. »Wann findet das Tribunal statt?«
»Morgen.«
Sie schwieg und rührte sich eine Zeit lang überhaupt nicht.
»Zwei Möglichkeiten«, sagte sie schließlich so abrupt, dass ich zusammenzuckte. »Befohlen oder erfleht.«
»So weit waren wir schon«, antwortete ich niedergeschlagen. »Leider war es weder das eine, noch das andere.«
Sie sah mich eindringlich an. »Bist du sicher?«
Ich nickte bedrückt. »Nathaniel sagt selbst, dass die Erzengel es nicht befohlen haben. Und ich habe ihn nicht gerufen.«
»Ist dir klar, dass das eure einzige Chance ist, Nathaniel zu retten?«, flüsterte Melinda.
Ich nickte bedrückt. »Einer meiner Engel hat gesagt, dass Nathaniel mir die Schuld geben soll. Sie hat es im Zorn gesagt, aber ich glaube, sie hat es ernst gemeint. Gibt es eine Möglichkeit, die Schuld für sein Handeln auf mich zu nehmen?«
Melinda atmete tief durch. »Wenn du ihn retten willst, dann wirst du eine Möglichkeit finden müssen.«
»Ich habe weniger als 24 Stunden Zeit«, sagte
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