Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Morgen herauf und die Vögel sangen in den Bäumen. Justin hatte sämtliche Unterlagen ausgedruckt und Alex trug sie in ihrer Tasche bei sich. Sie fühlte sich, als hätte sie puren Sprengstoff unter dem Arm.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie, »aber ich habe keine Lust, mich zur Zielscheibe zu machen. Wenn Vitali erfährt, dass ich von diesen geheimen Konten weiß, wird er mich umbringen.«
Justin starrte sie an.
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Absolut«, Alex nickte, »hier geht es nicht um eine kleine Unterschlagung. Das ist ein groß angelegtes Bestechungssystem und ich stecke mittendrin. Seit heute kann ich nicht mehr behaupten, dass ich nichts weiß.«
Sie hatten den leeren Parkplatz erreicht, auf dem nur noch Justins verstaubter Datsun stand. Sie quetschten sich in das kleine Auto und Justin setzte sie eine halbe Stunde später vor dem Flughafengebäude ab, nachdem Oliver und Alex sich bei ihm für seine unglaublich wertvolle Hilfe bedankt und ihm versprochen hatten, ihn auf dem Laufenden zu halten. Schweigend betraten sie die Abflughalle für Inlandsflüge und erkundigtensich am Schalter von Delta, wann die nächste Maschine nach New York ging. Sie reservierten zwei Plätze für den Flug um zwanzig nach sechs und gingen dann in die Kaffeebar, in der sich nur ein paar frühe Reisende und die Crew einer fernöstlichen Fluggesellschaft die Wartezeit vertrieben. Alex merkte, dass Oliver gerne über etwas ganz anderes mit ihr gesprochen hätte, aber sie vermochte ihre Gedanken nicht von dem zu lösen, was sie in den vergangenen Stunden erfahren hatte. Sie hatte in New York keine Zukunft mehr. Stumm tranken sie ihren Kaffee und kauten Donuts und Alex starrte auf den Fernseher über dem Tresen, auf dem CNN lief. Plötzlich ließ sie ihre Kaffeetasse sinken. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht, als sie verstand, über was der Reporter sprach. Sie sprang auf und lief an den Tresen.
»Können Sie das bitte mal lauter machen?«, fragte sie die Bedienung, die mit einem Achselzucken die Fernbedienung ergriff und den Ton lauter drehte. Entsetzt und fassungslos lauschte sie dem Reporter.
»… die ersten Untersuchungen der Sprengstoffexperten des FBI haben ergeben, dass es sich bei der Explosion, die sich am Sonntagvormittag im Park von Gracie Mansion, der Residenz des New Yorker Bürgermeisters Nicholas Kostidis, ereignet hat, um ein Sprengstoffattentat gehandelt hat. Die Bombe befand sich im Motorraum der gepanzerten Limousine des Bürgermeisters.
Bei dem Anschlag wurden Kostidis’ Frau Mary, sein Sohn Christopher und dessen Verlobte Britney Edwards getötet. Ihre Leichen verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Ein weiterer Mann, der die drei Menschen aus der Feuerhölle retten wollte, erlitt so schwere Verbrennungen, dass er eine Stunde später in einer Bostoner Spezialklinik seinen Verletzungen erlag. Bürgermeister Kostidis, dem dieses Attentat offenbar gegolten hat, wurde mit Verbrennungen und einem schweren Schock ebenfalls in ein Krankenhaus eingeliefert. Über seinen Zustand war bis jetzt noch nichts zu erfahren ...«
»Oh, mein Gott!«, flüsterte Alex. Das Herz hämmerte in ihrer Brust, ihr wurde übel. Das konnte doch nicht wahr sein! Noch vor 24 Stunden hatte sie mit Mary und Christopher Kostidis geplaudert.Und nun sollten sie tot sein? Oliver war ebenfalls aufgestanden und legte nun seinen Arm um ihre Schulter.
»Ich war am Samstagabend noch in Gracie Mansion«, Alex zitterte am ganzen Körper, »und jetzt sind sie tot! Ich kann es einfach nicht fassen!«
Oliver nahm sie fester in seiner Arme und streichelte tröstend ihr Haar. Auf dem Fernsehbildschirm wurden Bilder aus dem Park von Gracie Mansion gezeigt. Alex sah die schwelenden Überreste des Autos, in dem drei Menschen, die sie persönlich gekannt hatte, den Tod gefunden hatten. Die Gewalt der Detonation hatte die schwere Limousine in zwei Teile gerissen und aus dem Park ein Schlachtfeld gemacht.
»Entschuldigung«, Alex befreite sich aus Olivers Armen, stürzte aus der Kaffeebar und erreichte gerade noch die Toilette, bevor sie sich übergeben musste. Die Tränen strömten über ihr Gesicht, als sie zitternd und schluchzend in der engen Kabine auf dem Boden hockte. Nick Kostidis hatte in den Tagen nach dem Anschlag auf Sergio und Cesares Tod in aller Öffentlichkeit gefährliche Vermutungen angestellt. Sie hatte ihn für seinen Mut bewundert, aber nun begriff sie, dass diese Worte der Grund für das Bombenattentat gewesen sein mussten. Der
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