Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Bombe im Auto. Er hätte es zugelassen, dass ich sterbe, aber er wollte verhindern, dass meine Familie stirbt.«
Frank schluckte und kämpfte gegen die Tränen.
»Warum nur? Warum hat er das getan? Ich kannte ihn so lange und ich habe ihm vertraut.«
Darauf wusste Frank nichts zu erwidern, denn diese Frage stellte er sich selbst immer wieder.
***
Als er wieder alleine war, stand Nick auf und ging mit schweren Schritten ans Fenster. Er presste seine Stirn gegen das kalte Glas und schloss die Augen. Hätte er mehr Kraft gehabt, so hätte er versucht, das Gitter vor dem Fenster herauszubrechen, um sich in die Tiefe zu stürzen. In den ersten Tagen hatte er dank der starken Beruhigungsmittel, die ihm die Ärzte verabreicht hatten, in einem gefühllosen, tranceartigen Zustand vor sich hingedämmert. Aber nun schien der Aufschub, den man ihm gnädigerweise gewährt hatte, vorüber zu sein. Nun musste er sich der grausamen Realität stellen. Das Begreifen kam langsam und beängstigend wie eine alles verschlingende schwarze Flutwelle auf ihn zugerollt und er konnte ihr nicht entkommen. Mary war tot. Christopher war tot. Seine ganze Familie war in ein paar Sekunden ausgelöscht und für immer verschwunden. Sie waren in diesem Feuerball vor seinen Augen zu Asche verbrannt. Es gab nicht einmal die Möglichkeit, von ihren Leichen Abschied zu nehmen, denn es war nichts mehr übrig von den beiden Menschen, die ihm am meisten auf dieser Welt bedeutet hatten. Er verspürte noch immer das fassungslose Entsetzen und die lähmende Hilflosigkeit, die er beim Anblick des brennenden Autowracks empfunden hatte, und nichts konnte die Bilder vertreiben,die sich unauslöschlich in sein Gehirn eingebrannt hatten. Wie in einer endlosen Zeitlupenwiederholung sah er Marys Lächeln, er sah sie winken, er sah Raymond Howard und die Panik in dessen Augen. Und dann sah er den grellen Flammenblitz, spürte die ungeheure Gewalt der Detonation, die den tonnenschweren gepanzerten Wagen wie ein Spielzeugauto in zwei Teile zerrissen hatte. Nick presste verzweifelt seine verbrannten Hände auf die Ohren und schloss die Augen, aber die Bilder und Geräusche waren in seinem Kopf und ließen sich nicht abschalten oder dämpfen. Und doch war keine Trauer in seinem Herzen, kein Schmerz und kein Zorn, nur Leere und Taubheit. Er hörte die Menschen, die mit ihm sprachen, er sah ihre Besorgnis und ihr Mitgefühl und wusste, dass sie ihm helfen wollten, aber wie sollten sie das tun? Zwischen ihnen lag ein reißender schwarzer Fluss, und dieser Fluss war seine Schuld. Es gab keinen Trost und keine Rettung für ihn und erst recht keine Aussicht darauf, jemals wieder der zu werden, der er gewesen war, denn er war schuld daran, dass Mary und Christopher tot waren. In seiner Besessenheit war er zu weit gegangen, jetzt musste er dafür büßen. Sein ganzes Leben würde er nun mit dieser Schuld leben müssen. Das Schicksal hatte ihn verschont, aber zu welchem Preis? Nick krümmte sich wie unter Schmerzen. Sein Herz lag schwer wie ein Stein in seiner Brust und er fürchtete den Tag, an dem er die schützenden Mauern des Krankenhauses verlassen und dem Leben wieder ins Auge sehen musste.
***
Frank brach in Tränen aus, als er in der Tiefgarage des Krankenhauses in sein Auto gestiegen war. Er legte die Stirn auf das Lenkrad und schluchzte, erschüttert und verzweifelt. Wenn er doch nur irgendetwas für Nick tun könnte, etwas, das ihm seinen Schmerz und seinen Kummer erleichtern konnte! Aber es gab nichts, keine Möglichkeit, denn Nick ließ es nicht zu. Er hatte sich tief in seinem Innern eingeschlossen und nichts und niemand gelangte an ihn heran. Plötzlich hielt Frank inne und hob den Kopf. Doch! Es gab jemanden, der möglicherweise helfen konnte! Er erinnerte sich daran, wie sehr Nick seinen alten Freund, den Jesuitenpater Kevin O’Shaughnessy vom Kloster St. Ignatius in Brooklyn schätzte. Obwohl Frank völlig erschöpft war und sich nach den zehn schrecklichen Tagen nur nach seinem Bett und Ruhe sehnte, ließ er den Motor an und fuhr aus der Tiefgarage heraus. Er fuhr auf direktem Weg nach Brooklyn. Es mochte ein Strohhalm sein, an den er sich klammerte, aber manchmal hatte schon ein Strohhalm Leben gerettet.
***
»Sie wissen so gut wie ich, dass wir Alex brauchen, Zack!«, rief Vincent Levy ärgerlich. »Also hören Sie schon auf, den Beleidigten zu spielen und begrenzen Sie den Schaden, den Sie angerichtet haben!«
»Wie kommt sie dazu, ihren Kunden
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