Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
nicht mein ganzes Leben auf der Flucht sein müssen. Aber
er kann mir nicht verzeihen, dass ich ihn verlassen habe und ...«
»Und was?«
»... und ausgerechnet zu Ihnen gegangen bin.«
Wieder herrschte einen Moment Stille. Seine Stimme an ihrem Ohr war so nah, als ob er direkt neben ihr stünde und nicht der ganze atlantische Ozean zwischen ihnen läge.
»Sie haben mir einmal das Leben gerettet«, sagte Nick weich, »in einer Zeit, in der es mir sehr schlecht ging, haben Sie mir Mut gemacht und mir geholfen, weiterzuleben. Das werde ich Ihnen nie vergessen. Wann immer Sie meine Hilfe brauchen, werde ich Sie Ihnen geben.«
»Danke, Nick«, erwiderte Alex leise. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals, Tränen drängten sich in ihre Augen. »Ich … ich muss jetzt Schluss machen. Ich melde mich wieder bei Ihnen, okay?«
»In Ordnung. Passen Sie auf sich auf.«
»Das werde ich.«
***
Henry Monaghan wurmte die Niederlage, die ihm die Sontheim mit ihrer Flucht beigebracht hatte. Außerdem machte es ihn wütend, dass jemand in den Zentralrechner von LMI eingedrungen war, ohne dass er es bemerkt hatte. Es untergrub seine Autorität als Chef des Sicherheitsdienstes, und dies war seine eigene Schuld. Natürlich würde ihm das niemals jemand ins Gesicht sagen, aber es genügte, dass er es wusste. Monaghan brauchte dringend einen Erfolg, um sein angekratztes Selbstbewusstsein wieder herzustellen. Gemeinsam mit seinem engsten Mitarbeiter Phil Fox saß er in der Sicherheitszentrale im Untergeschoss des LMI-Building und versuchte herauszubekommen, wer im Firmenrechner herumgeschnüffelt hatte. Dieser Jemand war ohne Zweifel clever, denn es war nichts zerstört worden. Hätte Fox nicht gezielt gesucht, so wäre er niemals darauf gekommen, dass überhaupt jemand unautorisiert in den Rechner eingedrungen war. Es handelte sich also um einen Profi, der sich bestens mit dem System auskannte, und das schränkte den potentiellen Täterkreisstark ein. Der fensterlose Raum, der mit der modernsten Überwachungstechnik vollgestopft war, war vom Zigarrenqualm vernebelt, den Monaghan unablässig produzierte. In einem Aschenbecher lagen 15 Zigarrenstummel und er zündete sich bereits wieder eine neue an.
»Und?«, fragte Fox, als Monaghan den Telefonhörer auflegte. Er hatte bei der Firma angerufen, die die Computeranlage vor fünf Jahren installiert hatte, aber dort hatte niemand Ahnung von der Software.
»Die meinen, es könnte höchstens jemand in das System eindringen, der es programmiert hat. Er sagte, die Softwarehersteller lassen sich oft ein so genanntes Hintertürchen offen, durch das sie jederzeit unbemerkt in das System gelangen können.«
»Klar«, Fox nickte, »ist mir bekannt. Wo sollen wir anfangen zu suchen?«
»Mit was für einem Betriebssystem arbeiten wir?«
»BankManager 5.3 von IBM.«
»Na, klasse«, Monaghan furchte die Stirn und kaute nachdenklich auf seiner Zigarre, »IBM ist ein ziemlich großer Laden.«
»Das schon«, erwiderte Fox, »aber so viele Leute wird es nicht geben, die BM 5.3 entwickelt haben. Es gibt nur eine Handvoll Programmierer, die so etwas können.«
Monaghan sah den Computerspezialisten nachdenklich an, dann griff er zum Telefon. Er führte vier Telefonate, bis er mit dem Leiter der Entwicklungsabteilung von IBM verbunden war. Rasch erklärte Monaghan sein Problem, wobei er allerdings die Wahrheit sorgfältig verschwieg.
»BankManager 5.3 ist zwar in unserem Haus entwickelt worden«, erklärte der Leiter der Technologieabteilung des Weltkonzerns, »aber die Sicherheitsüberprüfung des Programms wurde von Spezialisten vorgenommen.«
»Und wer hat das gemacht?«
»Das machen üblicherweise Leute vom MIT.«
»Was ist das?«
»Das Massachusetts Institute for Technology in Cambridge bei Boston. Aber das ist mittlerweile sechs Jahre her. Es ist durchaus möglich, dass es diese Leute dort schon gar nicht mehr gibt.«
»Ja, das scheint mir auch eine ziemlich aussichtslose Sache«, erwiderte Monaghan und beendete das Gespräch mit ein paar Höflichkeitsfloskeln.
»Massachusetts Institute for Technology«, sagte er finster zu Fox, »ich wette, dort sitzt irgendwo das kleine Arschloch, das wir suchen. Morgen fliege ich nach Boston. Ich kriege heraus, wer das war.«
Montag, 6. Dezember 2000 – Bankhaus Levy &
Villiers, Georgetown, Grand Cayman
»Tut mir leid, Sir«, der junge Mann, der für die Computeranlage von Levy & Villiers zuständig war, wandte sich zu Vincent Levy und Lance
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