Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Zweifel zig Zugangssperren eingebaut. Die Arbeit konnte man sich getrost sparen, wenn man nicht ebenso clever war wie er. Dann nahm er das Badezimmer und das Schlafzimmer in Augenschein. Überall dasselbe Bild: überquellende Aschenbecher auf jeder freien Abstellfläche, leere Bier-und Coladosen, CDs, eine Pappbox mit den Überresten einer Pizza Quattro Staggioni.
»He, Henry«, sagte einer seiner Begleiter, »schauen Sie sich das mal an.«
Er deutete auf einen vergilbten Zeitungsausschnitt, der zwischen anderen Zetteln an einem Pinnbrett an der Wand der Küche hing.
»Jugendlicher Computerfreak narrt die Generäle« , lautete die Schlagzeile, die fast 20 Jahre alt war. Der Zeitungsartikel handelte von Justin Savier, der im Alter von 16 Jahren in den Zentralrechner des North American Aerospace Defend Command eingedrungen war, und dabei fast den Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte. Die Militärs hatten sich lächerlich gemacht, weil sie nicht bemerkt hatten, dass ein Jugendlicher sie genarrt hatte. Sie hatten allen Ernstes geglaubt, dass die Sowjets zu einem nuklearen Erstschlag rüsteten.
»Davon habe ich gehört«, Monaghan nickte, »ich erinnere mich an die Sache. Und das passt ja genau ins Bild.«
Offenbar war es eine Spezialität von Justin Savier, in fremde Computersysteme einzudringen. Monaghans Blick wanderteüber die Bücher in einem wackeligen Regal. Im Gegensatz zu dem, was Savier sonst zu lesen pflegte, handelte es sich hier nicht um Computerliteratur, sondern vorwiegend um Science-Fiction-Romane der anspruchslosen Sorte. Unter anderem befanden sich Fotoalben und Jahrbücher dazwischen. Monaghan zog eines nach dem anderen heraus, blätterte sie durch und ließ sie dann achtlos auf den Boden fallen.
»Na, schau mal an«, sagte er nach einer Weile zu sich selbst, »wenn das nicht der dicke Mistkerl ist, der in meinem Keller sitzt.«
Drei junge Männer grinsten in die Kamera, auf weiteren Seiten erschienen sie häufiger. Studenten in Harvard. Arrogantes Pack. Der mit dem Schweinchengesicht war Mark Ashton, todsicher. Monaghan grinste zufrieden.
»He, Boss«, der andere Mann tauchte im Türrahmen auf, »die Frau war hier, kein Zweifel. Im Mülleimer im Bad sind die leeren Verpackungen von dunkelbraunem Haarfärbemittel und Einmal-Kontaktlinsen.«
Monaghan nickte grimmig. Alex Sontheim war hier gewesen. Er war ihr auf den Fersen! Er ging zurück ins Wohnzimmer und nahm das Telefon und den Anrufbeantworter in Augenschein. Die Kassette des Anrufbeantworters enthielt nur unwichtige Nachrichten, aber dann kam Monaghan die Idee, die Wiederwahltaste des Telefons zu drücken. Er wartete gespannt darauf, wer sich am anderen Ende der Leitung meldete.
»Bankhaus Gérard Frères, guten Morgen«, meldete sich eine freundliche Frauenstimme auf Deutsch.
»Oh, entschuldigen Sie bitte«, erwiderte Monaghan auf Englisch, »ist dort nicht der Anschluss von Colin Myers in Miami?«
»Nein«, die Frau sprach nun auch englisch, »Sie sind mit dem Bankhaus Gérard Frères in Zürich verbunden.«
Ein triumphierendes Lächeln flog über Henry Monaghans gerötetes Gesicht. Er entschuldigte sich höflich und hängte ein. Alex Sontheim war also in Europa. In der Schweiz. Und sie hatte keine blasse Ahnung, dass er sie schon beinahe erwischt hatte. Er ergriff sein Handy und rief Sergio Vitali an. In spätestens einer Stunde würde sich eine kleine Armee in Richtung Zürich bewegen.
***
Die Gegensprechanlage auf dem gläsernen Schreibtisch in dem luftigen Büro von Lance Godfrey summte. Der Direktor des Bankhauses Levy & Villiers verzog das Gesicht. Er war in der vergangenen Nacht erst spät ins Bett gekommen, denn nach dem grässlichen Tag mit Vincent Levy hatte er sich ein paar Drinks genehmigt. Levy war mit der letzten Maschine nach New York geflogen, ohne dass die Computeranlage wieder funktioniert hatte. Godfrey verstand die Aufregung nicht. Manchmal streikten die Dinger eben, das war nicht weiter schlimm. Der Präsident von LMI hatte stapelweise Akten im Archiv des Bankhauses herausgesucht, sie eigenhändig durch den Reißwolf gelassen und war mörderisch schlechter Laune gewesen, als Godfrey ihn abends zum Flughafen gefahren hatte.
»Was gibt’s denn, Sheila?«, fragte Godfrey.
»Hier sind fünf Herren, die Sie sprechen möchten, Sir.«
»Hatten sie einen Termin vereinbart?« Godfrey warf einen Blick auf den Terminplaner auf seinem Schreibtisch.
»Nein. Aber ...«
»Ich habe jetzt keine Zeit. Sie sollen einen
Weitere Kostenlose Bücher