Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
und Nick wählte ein zweites Mal die Nummer von Alex’ Handy. Wieder klingelte es und niemand nahm ab. Nick beschlich ein ungutes Gefühl. Alex wusste doch, dass er sie anrufen wollte!
»Vielleicht hat sie es sich doch anders überlegt und hat sich aus dem Staub gemacht«, vermutete Connors. »Das wäre allerdings eine schöne Blamage für uns.«
»Nein, niemals«, Nick schüttelte den Kopf, »sie hat mir versprochen, mit Jenkins und den SEC-Leuten zu sprechen. Deshalb ist sie schließlich wieder in die Stadt gekommen.«
»Versuch’s noch einmal«, schlug der Staatsanwalt vor.
»Ich glaube, es ist besser, wenn wir hinfahren«, Nicks ungutes Gefühl verwandelte sich in Angst.
»Du weißt also doch, wo sie ist«, Connors warf ihm einen scharfen Blick zu und Nick zuckte die Schultern.
»Ich musste ihr versprechen, dass ich es niemandem sage.«
»Also?«
»Im Portland Square Hotel in der 47. Straße.«
»Okay«, Connors ergriff den Telefonhörer und rief Deputy Spooner an.
»Sie fahren sofort los«, verkündete er wenig später.
»Ich fahre mit«, Nick sprang auf. Connors seufzte, aber dann folgte er ihm. Gemeinsam mit zwei US-Marshals machten sie sich auf den Weg zur 47. Straße. Nicks düstere Vorahnung verstärkte sich mit jedem Meter, den sie sich dem Hotel näherten. Irgendetwas war geschehen. Es war ein Fehler gewesen, Alex allein im Hotel zurückzulassen. Er hätte darauf bestehen sollen,gerade weil er wusste, wie Vitali hinter ihr her war. Plötzlich fragte er sich, ob er vielleicht Vitali auf Alex’ Fährte gebracht hatte. Er wusste, dass man ihn beobachtete, aber gestern Abend war ihm nichts aufgefallen. Nick wurde kalt vor Angst und die Tatsache, dass er Angst hatte, beängstigte ihn noch mehr. Egal, was er früher getan oder erlebt hatte, er hatte sich nie gefürchtet. Angst war ein Fremdwort für ihn gewesen, gleichgültig, wie stark oder bedrohlich der Sturm war, durch den er sich hatte kämpfen müssen. Vielleicht war es gerade seine Furchtlosigkeit gewesen, seine beinahe zwanghafte Gradlinigkeit und seine Eigenheit, die Schattenseite der Welt nicht akzeptieren zu können, die ihn zu seinem Erfolg geführt hatten. Mary hatte das nie verstehen können. Sie hatte immer Angst gehabt, wenn er gegen die Mafiafamilien oder gegen Drogendealer ermittelt hatte. Mary hatte nicht verstanden, dass ihn Bedrohungen stets angespornt und seinen Ehrgeiz angestachelt hatten. Aber seit ihrem Tod hatte sich etwas in Nick verändert. In den vielen Stunden der Einsamkeit hatte er darüber nachgedacht, was er falsch gemacht hatte, und ihm waren Zweifel an seiner Kompromisslosigkeit und Sturheit gekommen, durch die er sich in den vergangenen Jahren viele Feinde gemacht hatte. Und diese Feinde waren gefährlich. Nick verspürte eine hohle Angst in der Magengegend, während der Wagen durch die sonntäglich leeren Straßen Richtung Theaterdistrikt brauste. Wenn Alex etwas zugestoßen war, dann war es allein seine Schuld! Connors warf Nick einen seltsamen Blick zu.
»Was ist mit dir?«, fragte er.
»Ich habe das Gefühl, dass etwas passiert ist«, erwiderte Nick mit dumpfer Stimme, »und wenn es so wäre, dann bin ich daran schuld.«
»Unsinn«, Connors schüttelte den Kopf, »was hast du damit zu tun?«
»Ich war gestern Nacht bei ihr«, sagte Nick leise. Der Staatsanwalt starrte ihn ungläubig an.
»Du warst bei der Sontheim?«, flüsterte er, damit die beiden Deputies ihn nicht verstehen konnten. »Warum, um Gottes willen, hast du mir das nicht gesagt?«
»Ich wollte erst einmal mit ihr reden«, Nick zuckte die Schultern, »sie rief mich um halb elf an und ich bin sofort zu ihr gefahren.«
»Wie konntest du das tun, Nick?« Connors Flüstern klang erregt. »Diese Frau wird im ganzen Land gesucht! Sie steht immerhin noch unter Mordverdacht! Du hättest mich sofort anrufen müssen!«
Nick bemühte sich um äußerliche Gelassenheit. Wenn Connors erfuhr, dass er nicht mit Alex geredet, sondern mit ihr geschlafen hatte, würde er ihn sofort von allen weiteren Ermittlungen ausschließen.
»Ich wollte dich nicht mitten in der Nacht stören.«
»Na, wunderbar!« Lloyd Connors verdrehte die Augen. »Ich werde wegen jeder Lappalie aus dem Bett geholt, aber wenn etwas wirklich Wichtiges geschieht, erfahre ich es nicht!«
»Es tut mir leid.«
»Schon gut.Was hat sie gesagt?Was ist mit dem Geld passiert?«
»Sie hat es nicht angerührt«, erwiderte Nick. »Sie will es als Faustpfand gegen Vitali benutzen.«
»Hm«,
Weitere Kostenlose Bücher