Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Bewegungen und wich langsam vor ihm zurück. Sergio war nicht nur ein gewissenloser Verbrecher. Hinter seiner charmanten Fassade verbarg sich ein Abgrund von Minderwertigkeitskomplexen und Menschenverachtung. Dieser Mann, den sie einmal zu lieben geglaubt hatte, war ein Psychopath. Er blieb vor ihr stehen, sie spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht und sah das Glitzern in seinen Augen.
»Du wirst für das bezahlen, was du getan hast, du Hure!«
Aus dem Augenwinkel sah Alex auf dem Tisch die Champagnerflasche, die sie gestern gekauft hatte. Nach der wahnsinnigen Angst und der entsetzlichen Anspannung der vergangenen Tage war sie an einem Punkt angelangt, an dem sie alles auf eine Karte setzen würde. Sie wollte sich Sergio nicht kampflos ergeben.
»Boss«, drängte Luca, »wir sollten hier verschwinden.«
»Ja, das tun wir auch«, erwiderte Sergio. Er wandte sich ab und gab seinen Männern einen kurzen Befehl. Einer holte eine Rolle Klebeband hervor und da machte Alex sich bereit zum Kampf. Im Bruchteil einer Sekunde ergriff sie die Flasche und schmetterte sie dem Mann, der ihr am nächsten stand, auf den Kopf. Sie sah seinen erstaunten Blick, bevor er in die Knie ging und zusammenbrach, und sie sah den Revolver, den er im Hosenbund trug. Den Überraschungsmoment ausnutzend bückte sie sich und ergriff die Waffe. Alex spürte, wie sich in ihrem Körper Energien mobilisierten, von denen sie vorher nichts geahnt hatte. Sie richtete die Waffe auf Sergio.
»Du kommst hier nicht raus«, flüsterte der und seine Stimme bebte vor Zorn.
»Doch. Und zwar mit dir«, erwiderte sie, »du fährst mit mir zu Mark und Justin. Und wenn du keine Tricks versuchst und die beiden in Sicherheit sind, dann erzähle ich dir alles, was du wissen willst.«
»Du bist nicht in der Position, Forderungen zu stellen«, knirschte Sergio.
»Doch, das bin ich«, entgegnete Alex, »ich habe eine Waffe.«
»Du schießt nicht auf mich.«
»Vielleicht das nicht«, ohne den Blick von seinen Augen zu lassen, schlug sie die Champagnerflasche auf die Tischkante, woraufsie mit einem Zischen zerplatzte, »aber dann schneide ich dir die Kehle durch.«
Der abgebrochene Flaschenhals war eine mindestens so tödliche Waffe wie die geladene .38er in ihrer anderen Hand und Alex war fest entschlossen, sich bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen.
»Boss«, sagte Luca eindringlich, »Sie sollten tun, was sie verlangt.«
»Niemals.«
Mit einer Schnelligkeit, die Alex ihm nicht zugetraut hätte, stürzte Sergio sich auf sie und packte ihr rechtes Handgelenk. Durch den Anprall verlor sie das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Sie hatte seinen Hass und seine Rachegefühle ihr gegenüber unterschätzt. Nun war ihr klar, dass sie tatsächlich nicht die geringste Chance hatte, ihm lebend zu entkommen. Seine Faust traf sie im Gesicht, Sternchen explodierten vor ihren Augen, sie hörte sein wütendes Keuchen.
»Niemand verlässt mich«, flüsterte er heiser, »niemand betrügt mich. Und niemand verkauft mich für dumm. Hast du das verstanden?«
Es gab einen heftigen Kampf, den Alex trotz aller Gegenwehr verlor. Luca beugte sich über sie und presste ihr einen Lappen mit einer scharf riechenden Flüssigkeit auf Mund und Nase. Sie spürte, wie man ihr Arme und Beine fesselte. Wie aus weiter Ferne hörte sie Sergios Stimme.
»Ich habe jetzt noch einen Termin in der Stadt«, hörte sie ihn sagen. »Macht mit ihr, was ihr wollt, aber passt auf, dass sie nicht abkratzt, bevor sie mir alles erzählt hat.«
Alex hörte ihr Handy piepsen. Verzweifelt dachte sie an Nick, dann verlor sie das Bewusstsein.
***
Nick ließ das Telefon dreißigmal klingeln.
»Seltsam«, er legte auf, »sie geht nicht dran.«
»Vielleicht ist sie gerade unter der Dusche«, entgegnete Lloyd Connors.
»Ja, vielleicht. Ich versuche es gleich noch einmal.«
Die Männer saßen in Connors’ Büro im Gebäude der Staatsanwaltschaft. Tate Jenkins und Alan Harper, der Chef der SECStrafverfolgungsabteilung, würden in drei Stunden aus Washington kommen, um Alex zu verhören. Nick sehnte sich danach, Alex wiederzusehen. Er hätte ihr heute Morgen sagen sollen, was sie ihm bedeutete und was er für sie empfand. Er hätte ihr erklären sollen, dass er sie ehrlich gern hatte. Nein, es war mehr als das. Schon vor langer Zeit hatte er sich in sie verliebt, aber spätestens nach dieser Nacht war ihm klar, dass er sie liebte.
»Versuch’s noch mal«, schreckte Connors ihn aus seinen Gedanken auf
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