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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Lebte sie überhaupt noch? Nick wusste, dass er es nicht ertragen könnte, wenn ihr etwas zugestoßen sein sollte. Seine heftigen Gefühle für Alex hatten ihn selbst erschreckt. Das war etwas ganz anderes als die Liebe zu Mary. Er konnte es sich selber auch nicht recht erklären, aber seine Gefühle für Alex waren weit mehr als nur das Bedürfniseines Mannes, der die 50 überschritten hatte, ein Stück seiner Jugend an der Seite einer jungen Frau zurückzuholen. Er betrat die City Hall durch den Hintereingang und ging in sein Büro. Die Sicherheitsbeamten grüßten ihn respektvoll. Niemand fragte ihn, was er um diese Zeit hier tat. Er ging in sein Büro und machte nur die kleine Lampe an, die einen warmen, buttergelben Kreis auf den Schreibtisch zeichnete. Nick setzte sich in seinem nassen Mantel hinter den Schreibtisch. Sein Blick wanderte durch das große Büro und blieb an den gerahmten Fotografien seiner Amtsvorgänger hängen. Hierher, in dieses Büro, hatte er gewollt, seitdem er ein Junge gewesen war. Es war sein Traum gewesen, sein ehrgeizigstes Ziel, und er hatte es erreicht. Für dieses Ziel hatte er sich geschunden, Nächte durchgearbeitet und seine Familie vernachlässigt. Nick war es gewohnt zu kämpfen, aber nun war er des Kämpfens müde. Es gab noch ein anderes Leben, ein Leben ohne Politik und Öffentlichkeit, und nach diesem Leben sehnte er sich so stark wie nie. Er seufzte abgrundtief. So viel hatte er erreicht, aber noch viel mehr verpasst. Er hatte seinen Sohn nicht groß werden sehen, weil er keine Zeit dazu gehabt hatte. Die Fernsehstudios der Ostküste hatte er besser gekannt als seine Wohnung und mancher Reporter war ihm vertrauter gewesen, als sein eigener Sohn. Seine Tage wurden vom Terminkalender regiert, von morgens früh bis spät in die Nacht. Er hatte voller Ehrgeiz um Erfolg und Anerkennung gekämpft, für die Verwirklichung seiner Ziele, um die Sympathien der Bevölkerung. Ein großer Teil seines Erfolges beruhte darauf, dass er die Arbeit, die er tat, gerne machte. Und dann war Alex in seinem Leben aufgetaucht und ihr war das gelungen, was Mary so viele Jahre vergeblich versucht hatte: Nick hatte angefangen, über sich selbst nachzudenken. Plötzlich hatte er nicht mehr gewusst, was in all den Jahren die Antriebskraft für seinen wahnsinnigen Ehrgeiz gewesen war, den seine Feinde als ›Besessenheit‹ bezeichnet hatten. Ja, er hatte sogar begonnen, sich zu fragen, woher seine Kompromisslosigkeit stammte, die ihm so oft im Weg gestanden hatte. Alex war es gewesen, die ihn dazu gebracht hatte, sich selbst kritisch zu betrachten, und dabei war ihm aufgefallen, dass er in den ganzen langen Jahren des Kampfes vollkommen vergessen hatte, zu leben. Nein, Alexdurfte nicht tot sein! Es durfte einfach nicht sein. Nick legte die Arme um seinen Oberkörper und krümmte sich zusammen.
    »Lieber Gott«, flüsterte er verzweifelt. »Bitte lass sie nicht sterben …«
    Und dann begann er zu weinen.
    ***
    Travis Stewart fluchte. Der nasse Schnee hatte seine Jacke auf dem kurzen Weg vom Auto zu den Docks durchnässt und der Wind war eisig kalt. Außerdem hatte er verschlafen. In einer halben Stunde würde es dämmern und dann würde es wahrscheinlich wieder überall von Cops wimmeln. Er musste sich beeilen. Fluchend kletterte er die rostige Leiter an der Kaimauer hinunter und sprang auf das kleine Motorboot. Er holte den Metallkoffer unter der geölten Plane hervor und wollte gerade wieder die Leiter hochklettern, als er Motorengeräusche direkt über sich hörte.
    »Scheiße«, flüsterte er. Wenn das die Cops waren und ihn mit einem Koffer randvoll mit Crack erwischten, dann ging er zurück in den Bau. Travis stopfte den Koffer hastig unter die Plane und kauerte sich im Boot zusammen. Autotüren schlugen zu, er hörte Männerstimmen. Plötzlich tauchten sie weiter hinten auf der Kaimauer auf. Travis sah ihre Umrisse, die sich messerscharf gegen den heller werdenden Nachthimmel abzeichneten. Sie trugen ein schweres Paket, das sie bis an den Rand des alten Piers schleiften. An dieser Stelle wurde oft Müll in den Fluss geworfen, denn hier war die Strömung stark. Aber das war kein Müll! Travis erkannte für den Bruchteil einer Sekunde den hellen Körper eines Menschen, als die beiden Männer das, was sie getragen hatten, ins Wasser warfen. Unwillkürlich duckte er sich. Wenn die Kerle ihn sahen, würden sie nicht lange fackeln und ihn auch umlegen. Aber sie hatten ihn nicht gesehen. Sie

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