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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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verschwanden sofort, nachdem sie ihre Last losgeworden waren. Travis starrte auf das dunkelgraue Wasser und erblickte wild rudernde Arme, die die Strömung direkt auf ihn zu trieb. Kein Zweifel, in dem kaum zehn Grad kalten Wasser lag keine Leiche, sondern ein lebendiger Mensch! Eigentlich sollte es ihmscheißegal sein. Wenn man jemandem half, zog das nur Ärger nach sich. Angestrengt starrte er auf das Wasser. Plötzlich tauchte keine zwei Meter neben dem Bug seines Bootes ein Kopf auf. Travis warf sich so heftig nach vorne, dass das Boot beinahe kenterte. Er wurde völlig nass, aber seine Finger schlossen sich um nasses Haar. Dann fasste eine Hand nach seiner. Das Gesicht einer Frau tauchte auf, sie hustete und spuckte Wasser. Ihre Augen waren angstvoll aufgerissen. Die Frau war mehr tot als lebendig und verlor das Bewusstsein, als Travis sie in sein Boot zog, aber sie lebte! Erstaunt starrte er sie an, denn sie war splitternackt. Mit einer Hand zog er seine Armeejacke aus und legte sie über den Körper der Frau, der mit Blutergüssen und Prellungen übersät war. Es war nicht leicht, mit der Last im Arm die rutschigen Sprossen der rostigen Leiter hinaufzuklettern, und Travis war schweißgebadet, als er oben auf der Kaimauer angelangt war. Er stolperte durch den stärker werdenden Schneefall zu seinem Auto, das ein paar hundert Meter entfernt bei den verlassenen Lagerschuppen stand, dann öffnete er die Tür und setzte die leblose Frau auf den Beifahrersitz. Aus dem Kofferraum holte er eine alte Wolldecke, in die er die Frau einhüllte. Das fehlte ihm noch, dass sie in seinem Auto abkratzte. Er legte den Rückwärtsgang ein und wendete den Wagen.
    ***
    »Nick?«
    Nick fuhr benommen und verwirrt hoch und brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo er war. Er erinnerte sich, dass er gestern Nacht in sein Büro gegangen war. So erschöpft und müde, wie er gewesen war, war er offenbar an seinem Schreibtisch eingeschlafen. Dann fiel ihm Alex ein.
    »Hallo, Frank«, sagte er und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, »wie viel Uhr ist es?«
    »Gleich sechs«, Frank blieb vor dem Schreibtisch stehen.
    »Oh«, sagte Nick nur, dann richtete er sich auf, »wissen Sie, ob man Alex gefunden hat?«
    »Ich glaube nicht«, Frank schüttelte den Kopf, »als ich hergefahren bin, habe ich eine Suchmeldung im Radio gehört.«
    Er bemerkte die geröteten Augen und die zerquälte Miene seines Chefs und fragte sich, warum es Nick so naheging, was mit dieser Frau passierte.
    »Ich muss Connors anrufen«, murmelte Nick.
    »Sie sollten mal etwas schlafen«, sagte Frank. »Sie sehen ja fürchterlich aus. Haben Sie die ganze Nacht hier am Schreibtisch gesessen?«
    »Ich bin um drei hierhergekommen. Bis dahin war ich bei Connors.«
    »Glauben Sie, dass die Sontheim noch lebt?«, fragte Frank.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Nick.
    »Das wäre schlecht. Ohne ihre Aussage wäre ...«
    »Verdammt!«, unterbrach Nick ihn heftig. »Es ist mir scheißegal, ob sie eine Aussage macht oder nicht! Ich bete zu Gott, dass sie überhaupt noch am Leben ist!«
    Frank starrte seinen Chef betroffen an und langsam begann er zu begreifen, dass es Nick längst nicht mehr um Vitali oder die Aufklärung der ganzen Affäre ging. Ihm ging es nur noch um das Leben dieser Frau und um nichts Anderes! Nick saß zusammengesackt auf seinem Stuhl und sein Gesicht spiegelte seine Verzweiflung wider. Er wandte sich vom Lichtschein der Lampe ab und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Frank ... ich ...«, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und seine dunklen Augen waren schwarz vor Hoffnungslosigkeit, »ich ... ich habe mich in sie verliebt, damals, als sie zu mir auf den Friedhof kam, und mir zugehört hat. Sie ... sie hatte Verständnis und Mitgefühl und plötzlich konnte ich all das irgendwie ertragen, was passiert ist. Sie hat mir den Mut zum Weiterleben gegeben und dann hat sie mir sogar das Leben gerettet.«
    Er holte schluchzend Luft und Frank verstand mit einem Mal, dass Nick nicht nur unglücklich über das Verschwinden von Alex war, sondern auch von Schuldgefühlen gegenüber Mary gequält wurde.
    »Ich könnte es nicht ertragen, nun auch noch Alex zu verlieren.«
    Im Schein der Tischlampe sah Frank, wie seinem Chef eine Träne über die Wange lief. Und plötzlich begann er zu weinen.Frank hatte Nick Kostidis noch nie zuvor weinen sehen und der Schmerz des Mannes, den er bewunderte und ehrlich mochte, tat ihm in der Seele

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