Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
Presse einen Wink zu geben, dass der ehrenwerte Bürgermeister die halbe Nacht mit einer gesuchten Mörderin herumgevögelt hatte. So gut ihm diese Idee auch gefiel, er musste warten, bis Alex’ Leiche im East River trieb. Dann konnte er sich daran machen, den Bürgermeister fertig zu machen. Sergio grinste bitter. Bisher war es offenbar niemandem gelungen, eine Verbindung von MPM und LMI zu ihm zu ziehen. Und wenn Alex nicht mehr da war, würde es auch niemanden mehr geben, der das tun konnte. Der Sturm würde abflauen und solange würde er sich still verhalten. Die Vorbereitungen für seinen alljährlichen Wohltätigkeitsball, der in ein paar Tagen stattfinden sollte, liefen auf vollen Touren. Niemand hatte bisher abgesagt, und das war ein gutes Zeichen. Wenn die Cops jemanden von seinen Freunden ernsthaft unter Druck gesetzt hätten, hätte es längst Absagen gehagelt, denn nirgendwo merkte man so schnell wie in New York City, wenn einem die Ächtung durch die feine Gesellschaft drohte.
»Ein Sturm im Wasserglas«, murmelte Sergio und zuckte die Schultern. Mehr war es nicht.
***
Alex kam es so vor, als habe sie sich bei dem Sprung jeden einzelnen Knochen in ihrem Körper gebrochen. Sie lag auf dem Rücken, unfähig, sich zu bewegen und schnappte nach Luft. Die Tränen des Zorns und der Angst rannen über ihr Gesicht, als sie eilige Schritte hörte, und dann war sie umringt von einem halbenDutzend Männern mit wütenden Mienen, die sie unsanft hochzerrten und zurück in das Gebäude schleiften. Trotz ihrer Schmerzen trat sie um sich, biss einen der Männer in die Hand und wand sich wie ein Fisch. Ihr Fluchtversuch und ihre wilde Gegenwehr hatten Sergios Leute wirklich wütend gemacht. Verglichen mit vorhin verschlechterte sich ihre Situation nun beträchtlich.
Alex kämpfte mit aller Macht gegen Tränen und Angst. Egal, was sie ihr noch antun würden, schlimmer konnte es nicht werden, und vor Sergio würde sie nicht zusammenbrechen und um Gnade betteln. Sie schloss die Augen, als sie seine Stimme hörte.
»… ist uns abgehauen, dieses Luder«, sagte ein Mann. »Wir mussten sie ein bisschen härter anfassen. Tur mir leid, Boss.«
»Stellt sie auf die Füße«, sagte Sergio kalt, »ich will ihr in die Augen sehen. Und dann lasst mich mit ihr allein.«
Alex wurde unsanft hochgezerrt. Sie schwankte und lehnte sich gegen die Wand. Nur mühsam unterdrückte sie ein Stöhnen.
»Guck mich an«, befahl Sergio und Alex hob langsam ihr von Schlägen entstelltes Gesicht. Überrascht stellte sie fest, dass die Todesangst von ihr abgefallen war und einer fatalistischen Gelassenheit Platz gemacht hatte. Sie hatte keine Angst mehr, ja, sie empfand überhaupt nichts mehr.
»Ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen, die du besser beantwortest«, Sergio musterte sie von Kopf bis Fuß. »Wenn du das nicht tust, wirst du das bereuen.«
Alex nickte.
»Nelson hat mich von Anfang an vor dir gewarnt.« Er stand direkt vor ihr, betrachtete sie mit einem kalten Lächeln, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben. »Er hatte sofort durchschaut, was du für ein hinterhältiges Flittchen bist.«
»Du hast den größten Fehler deines Lebens gemacht, als du auf ihn gehört hast.« Alex’ Mund war papiertrocken, ihre Stimme war heiser. »Er hatte doch nur Angst, dass ich mehr Einfluss auf dich haben könnte, als er jemals hatte. Ich hätte alles für dich getan, wenn du mich nicht von Anfang an belogen hättest.«
Das Lächeln verschwand von Sergios Gesicht.
»Er hat dich verraten, dein Nelson«, sagte Alex. »Er hat sich lieber eine Kugel in den Kopf geschossen, als weiter für dich zu arbeiten.«
»Halt den Mund!«, fuhr Sergio sie an.
»Sie werden dich alle im Stich lassen«, fuhr Alex unbeeindruckt fort, »aber ich hätte zu dir gehalten …«
»Du sollst dein Maul halten!«, brüllte er unvermittelt.
»Du weißt es selbst, nicht wahr?« Alex zuckte nicht mit der Wimper. »Du weißt, dass du den falschen Leuten vertraut hast. Sogar deine Frau ist dir weggelaufen. Weißt du, dass sie bei mir gewesen ist, an dem Tag, an dem sie dich verlassen hat?«
Sergio lief rot an. Ihre Worte trafen einen wunden Punkt in seinem Innern, und kämpfte darum, die Fassung zu bewahren.
»Woher stammt der Kontoauszug, den ich in deiner Wohnung gefunden habe?«, fragte er heiser. Alex sah ihm in die Augen und schwieg.
»Glaub nicht, dass ich mich von dir beeindrucken lasse«, zischte er, »ich weiß, dass du vor Angst
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