Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
bis er die Küchentür gefunden hatte. Auf keinen Fall wollte er in der Kneipe von einem Dutzend Leuten gesehen werden. Als Nick an die Tür klopfte, standen Spooner und Khazaeli hinter ihm.
»Lassen Sie wenigstens Ihre Waffen stecken«, bat Nick.
»Damit die Typen uns vielleicht über den Haufen knallen?« Spooner entsicherte seine Glock. »Ich denke nicht daran!«
In dem Moment öffnete sich die Tür einen Spalt breit, und ein unrasierter pockennarbiger Mann schaute misstrauisch heraus.
»Sind Sie ...?«
»Ja«, erwiderte Nick ungeduldig, »ich bin Nick Kostidis.«
»Und die Typen da?«
»US-Marshals«, sagte Spooner, »öffnen Sie die Tür, Mann!«
Nick verdrehte die Augen. Deputy Spooner hatte die Diplomatie eines Dampfhammers.
»Kommen Se rein«, der Mann öffnete die Tür. Nick betrat eine unglaublich schmutzige Küche, die allen Gesetzen des Gesundheitswesens von New York City spottete.
»Hi, Herr Bürgermeister«, eine fette Frau, der eine Zigarettenkippe im Mundwinkel klebte, tauchte im Türrahmen auf, »ich kann’s kaum glauben! Wir ham Se alle gewählt, ich und alle meine Stammgäste.«
»Das freut mich«, Nick zwang sich zu einem Lächeln, »ich möchte zu Mrs Sontheim.«
»Nicht zu fassen, was, Travis?« Die dicke Frau stieß dem Pockennarbigen ihren Ellbogen in die Seite. »Der Bürgermeister höchstpersönlich in meinem Laden.«
Nick zitterte vor Ungeduld.
»Travis hier hat das Mädchen aus dem Fluss gezogen«, die Dicke klopfte dem Mann auf die Schulter, »war splitternackt und halbtot, das arme Ding.«
Nick wurde blass. Hatte Vitali tatsächlich versucht, Alex auf die altbewährte Mafiaart im Fluss loszuwerden?
»Kommen Sie, Mr Kostidis«, die dicke Frau winkte ihm. Sie blieb im Türrahmen stehen und baute sich vor den beiden USMarshals auf.
»Ihr bleibt hier unten, Jungs«, sagte sie mit einer Autorität, die keinen Widerspruch duldete. »Die Kleine ist nicht besonders gut drauf, wie ihr euch denken könnt. Und sie hat sicher keinen Bock auf Bullen.«
»Aber ...«, wollte Spooner protestieren.
»Nix. Ihr bleibt hier«, sie wuchtete sich die schmale Treppe hinauf und Nick folgte ihr einen schlecht beleuchteten Flur entlang, bis sie vor einer Tür stehen blieb.
»Seien Se bloß nett zu ihr«, sagte die Dicke leise, »ist schlimm dran, das arme Ding. Hatte das Gedächtnis verloren und hohes Fieber. Aber seit heute Mittag geht es ihr etwas besser. Erinnert sich wieder, was passiert is.«
Nick schluckte und nickte. Sein Herz raste und am liebsten wäre er an der Dicken vorbeigestürmt. Sie klopfte nun und öffnete die Tür.
»He, Süße«, sagte sie überraschend sanft, »du hast Besuch.«
Dann machte sie die Tür frei und Nick trat ein. Er bemerkte weder die schmuddeligen Tapeten, noch den abgewetzten Plüschteppich, die nikotingelben Gardinen oder die altersschwachen Möbel, genauso wenig wie die rote Lampe, die das Zimmer abends in das verwandelte, was es war: ein Stundenhotel. Nick hatte nur Augen für die schmale Gestalt, die am Kopfende des Bettes kauerte, die Arme um die Knie geschlungen.
»Alex!« Nick schossen die Tränen des Mitgefühls in die Augen. »Oh Gott, Alex.«
Ihr Gesicht war furchtbar zugerichtet, ein einziger angeschwollener Bluterguss. Auf der Wange, am Kinn, an der Nase und den aufgeplatzten Lippen klebte getrocknetes Blut. Um ihre Augen hatten sich dunkle Hämatome gebildet.
»Nick«, flüsterte sie. Ihr Blick war angstvoll und erloschen. Von der schönen jungen Frau, die Nick kannte, war nur noch ein Häufchen Elend übrig. Er ging vor dem Bett in die Knie und sahdie verkrusteten Wunden an Alex’ Handgelenken, die aus dem viel zu großen Jogginganzug ragten. Nick ahnte, dass viel mehr zerstört worden war, als ihr einst so hübsches Gesicht. Vor ihm kauerte ein gebrochener Mensch, verängstigt, schockiert, misshandelt und zutiefst verstört.
»Er kam ins Hotel«, flüsterte Alex, »ich dachte, du wärst noch einmal zurückgekommen, deshalb habe ich die Tür aufgemacht.«
Nick verzog das Gesicht, als wolle er in Tränen ausbrechen. Es war entsetzlich, einfach grauenhaft. Die Tränen des Zorns schmerzten wie ein Kloß in seiner Kehle. Was mussten das für gefühllose, eiskalte Tiere sein, die einer Frau so etwas antun konnten?
»Ich habe ihm nichts gesagt. Kein Wort«, fuhr Alex fort. Sie sprach wie unter Zwang und ihre Miene war leer und tranceartig.
»Sie haben mich geschlagen und vergewaltigt. Er hat gesagt, er würde mich töten. Ich konnte mich
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