Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
unangenehme Gefühl, eine Rolle spielen zu müssen. Das vergangene Wochenende, das dritte, das sie gemeinsam verbracht hatten, war vielleicht nicht so spektakulär gewesen wie eines mit Sergio, aber weitaus entspannter und unterhaltsamer. Oliver und sie waren im Central Park Inlineskates gefahren, sie hatten die Frick Collection besucht, hatten bei Zabar’s eingekauft und einen ganzen Nachmittag am WashingtonArch damit verbracht, Leute zu beobachten. Und sie hatten miteinander geschlafen. Zwischen ihnen gab es keinen verkrampften Wettstreit um die Überlegenheit, kein Taktieren und keine Verstellung wie mit Sergio. Sergio! Er war der eigentliche Grund, weshalb Alex lieber nicht auf diese Veranstaltung gegangen wäre, aber sie konnte ihm schließlich nicht dauernd ausweichen. Seit drei Wochen ignorierte sie konsequent seine Anrufe, seine Stimme auf ihrem Anrufbeantworter, die Blumen, die er ihr ins Büro schickte und die Telefonnotizen, die Marcia ihr stapelweise auf den Schreibtisch legte. Seit ihrer Ankunft im Metropolitan Museum stand Alex unter einer beinahe unerträglichen Anspannung, und auf einmal stand Sergio vor ihr. Fast hatte sie vergessen, wie unglaublich beeindruckend allein seine physische Präsenz war. Er sah atemberaubend gut aus. Wenn sie geglaubt hatte, sie hätte ihn sich mit Oliver so einfach aus dem Kopf schlagen können, dann hatte sie sich geirrt.
»Guten Abend, Cara«, sagte er, und der Klang seiner dunklen Stimme ließ sie erschauern, »ich habe gehofft, dich heute Abend hier zu sehen.«
»Hallo, Sergio«, erwiderte Alex mit einem unverbindlichen Lächeln, »das habe ich auch.«
»Du siehst einfach umwerfend aus«, Sergio erwähnte mit keinem Wort die Tatsache, dass Alex ihn ganz offensichtlich gemieden hatte und tat ganz so, als sei alles in bester Ordnung. Sie plauderten eine Weile über dies und das, wie entfernte Bekannte, bis er schließlich die Frage stellte, die ihm auf der Seele zu brennen schien.
»Warum habe ich das Gefühl, dass du mir in den letzten Wochen ausweichst?«, er ließ es beiläufig klingen, nahm einem vorbeigehenden Kellner zwei Gläser Champagner vom Tablett und reichte Alex eines. Sie bemerkte, dass Zack sich in der Nähe herumtrieb und sie aus den Augenwinkeln neugierig beobachtete.
»Wieso sollte ich dir ausweichen?«, fragte sie.
»Das frage ich mich auch«, er nahm einen Schluck Champagner und beobachtete sie scharf.
»Ich habe viel Arbeit«, Alex senkte die Stimme, weil Zacks Ohren schon Elefantengröße erreicht hatten, »und als ich in der Zeitung gelesen habe, dass du dich lieber von Farideh Azzaeli alsvon mir begleiten lässt, dachte ich, dass du meiner überdrüssig geworden bist.«
Er lächelte, aber seine Augen waren undurchdringlich.
»Bist du eifersüchtig?«, erkundigte er sich.
»Nein, das bin ich nicht. Ich kenne durchaus auch noch andere Männer als dich«, mit boshafter Befriedigung konstatierte sie, wie das Lächeln auf seinem Gesicht erlosch. »Ich habe es nicht nötig, mich von dir versetzen zu lassen. Eine Zeit lang dachte ich, dir liegt etwas an mir, aber das tut es offenbar nicht. Und ich habe keine Lust auf Spielchen.«
Sergio zog die Augenbrauen hoch.
»Spielchen?«
»Genau. Oder wie würdest du diese Farce bezeichnen? Als eine Beziehung? Du rufst an und sagst, ich soll mir das Wochenende frei halten, und dann lese ich in der Zeitung, dass du diesen verhungerten Kleiderständer vögelst!«
Er mochte es nicht, wenn sie sich so vulgär ausdrückte, aber wie üblich verbarg Sergio jede Gefühlsregung hinter einer ausdruckslosen Miene.
»Ich habe nicht mit dieser Frau geschlafen«, sagte er.
»Ach nein?« Alex verzog spöttisch das Gesicht. »Ich glaube dir kein Wort.«
»Es ist aber wahr. Im Übrigen warst du es, die mich zuerst versetzt hat.«
»Ich habe einen harten Job«, sagte Alex, ohne den Blick von seinen blauen Augen zu wenden. »Ich arbeite 80 Stunden in der Woche und kann nicht immer verfügbar sein, wenn dir gerade danach ist.«
»Was erwartest du von mir?«, fragte Sergio.
Ja, was erwartete sie? Erwartete sie überhaupt noch irgendetwas von ihm? Plötzlich hatte Alex keine Lust mehr auf dieses alberne Kräftemessen. Sie wollte nicht mehr länger mit ihm diskutieren.
»Ich weiß es nicht«, sie stieß einen Seufzer aus, »lass uns ein anderes Mal darüber reden. Ich hatte einen langen Tag.«
Sergio sah sie lange und eingehend an, dann nickte er.
»Ich rufe dich morgen an«, sagte er. »Es wäre schön, wenn du
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