Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien
wieder Schwachstellen, und Zuckerman war zu einer solchen geworden. Bedauerlich, denn er war ein guter Mann und auf dem Gebiet der Akquisition in der Baubranche ein Ass. Ihm verdankte Sergio viele lukrative Aufträge. Aber nun war Zuckerman in das Visier der Behörden geraten und würde ihm in Zukunft keine Dienste mehr erweisen können. Sergio wusste, dass der Mann ein Feigling war, der zu viel Wert auf sein Ansehen in der Gesellschaft legte. Bevor er für ein oder zwei Jahre ins Gefängnis ging, würde er ihn verraten. Offenbar hatte Zuckerman vergessen, wem er seine Villa auf Long Island, sein Wochenendhaus auf Cape Cod und sein Luxusleben verdankte. Doch nun war eszu spät, ihn daran zu erinnern. Der Mann war ein Risiko geworden, und solche Risiken schätzte Sergio Vitali überhaupt nicht.
***
Alex lenkte ihren schwarzen Porsche Cabrio auf den Henry Hudson Parkway, der später in den Saw Mill River Parkway überging. Bei Hawthorne bog sie auf den Taconic State Parkway ab. Sie fuhr durch eine sanfte waldige Hügellandschaft und passierte die exklusiven Vororte Bedford und Mount Kisco. Seit Tagen hatte sie überlegt, ob sie tatsächlich der Einladung zu Sergios Geburtstagsfeier in sein Haus im Westchester County folgen sollte. Ihr war nicht recht wohl dabei, der Frau gegenüberzutreten, mit deren Mann sie ein Verhältnis hatte, aber ihre Neugier auf Sergios Haus und seine Familie überwog schließlich. Sergio hatte gesagt, dass eine Menge interessanter Gäste kommen würden, und es konnte nicht schaden, wenn sie neue Kontakte knüpfte. Am Ortsausgang von Mount Kisco bog sie in eine schmale asphaltierte Straße ein. Hier, im Westchester County, waren die Anwesen so weitläufig, dass man die Häuser von der Straße aus nicht sehen konnte. Nachdem Alex schon eine ganze Weile an einer übermannshohen Taxushecke entlanggefahren war, glaubte sie schon, sich verfahren zu haben, aber dann tauchte ein großes Tor auf, vor dem ein paar Männer in dunklen Anzügen mit Sonnenbrillen und Funkgeräten standen. Sie bremste, ließ die Scheibe herunter und präsentierte dem Wachmann ihre Einladung. Mit klopfendem Herzen fuhr sie durch das weit geöffnete schmiedeeiserne Tor. Das Grundstück war gewaltig groß. Die mit Kies bestreute Auffahrt wand sich durch einen sorgfältig angelegten Park mit kunstvoll beschnittenen Büschen, saftig grünen Rasenflächen, die an einen Golfplatz erinnerten, hier und da unterbrochen von waldigen Baumgruppen. Alex war tief beeindruckt, als sie um eine Kurve bog und in der Dämmerung auf einem Hügel das hell erleuchtete Haus erblickte, das aus der Ferne wie ein französisches Schloss wirkte. Auf dem großen Platz vor der Villa parkten eine Menge Autos und ein sonnenbebrillter Mann wies ihr einen Parkplatz zu. Alex hatte geahnt, dass auf dem ›kleinen Gartenfest‹, wie Sergio es genannt hatte, sämtliche Spitzen der NewYorker Gesellschaft versammelt sein würden. In dem Augenblick bremste neben ihr ein knallroter Ferrari Maranello und Alex erkannte Zack. Sie war insgeheim erleichtert, ihn hier zu sehen.
»Hallo, Zack«, sagte sie und musterte ihn. Er war braungebrannt und wirkte in dem hellen Leinenanzug wie ein Playboy, nicht wie ein Investmentbanker.
»Wie war dein Urlaub auf den Caymans?«
»Urlaub«, er küsste sie auf beide Wangen und lachte amüsiert, »du bist gut! Es ist harte Arbeit, das Geld, das ihr tüchtigen Banker verdient, gewinnbringend zu vermehren!«
»Du siehst wirklich so aus, als hättest du extrem hart gearbeitet«, bemerkte Alex spöttisch, während sie auf die breite Freitreppe zugingen, an deren Fuß zwei steinerne Löwen thronten.
»Zugegeben«, Zack lachte gutgelaunt und bot ihr seinen Arm, »ich hab zwischendurch auch mal am Strand gelegen. Wie findest du übrigens diese Hütte? Drinnen wird’s noch besser!«
»Nicht zu fassen, dass normale Menschen so leben«, antwortete Alex.
»Na ja«, Zack schürzte die Lippen und warf ihr einen raschen Seitenblick zu, »Vitali ist etwas mehr als ein normaler Mensch.«
»Wie meinst du das denn?«
»Herrgott, Alex, du kennst ihn doch wohl besser als ich«, sagte Zack, »normale Maßstäbe kannst du bei ihm wirklich nicht anlegen.«
Ein Butler öffnete die vier Meter hohen weißen Flügeltüren und sie traten in eine großzügige, schwarzweiß geflieste Eingangshalle. Aus dem Hintergrund ertönte gedämpfte Musik. Alex erblickte Sergio bei einer Gruppe von Leuten. Beeindruckt erkannte sie Robert Landford Rhodes, den
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