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Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien

Titel: Unter Haien - Neuhaus, N: Unter Haien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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verwelkte Rose wirkte. Er stieß sich mit einer lässigen Bewegung von der Mauer ab.
    »Constanzia«, er legte seinen Arm um die Schulter der Frau, »darf ich dir Alex Sontheim vorstellen? Sie ist eine der besten Mitarbeiterinnen von Vince Levy. Alex, das ist meine Frau Constanzia.«
    Die beiden Frauen reichten sich die Hand und Alex verspürte unwillkürlich ein schlechtes Gewissen, als sie den forschenden Blick von Sergios Ehefrau bemerkte.
    »Sie arbeiten in einer Investmentfirma?« Constanzia Vitalis Miene war freundlich und ausdruckslos. »Das muss sehr aufregend sein.«
    »Ja, das ist es zweifellos.«
    Sie wechselten ein paar höfliche Worte, dann wandte Constanzia Vitali sich an ihren Mann und sagte etwas auf Italienisch. Alex, die ziemlich gut italienisch sprach, verstand, dass Constanzia ihren Mann aufgefordert hatte, seine Ansprache zu halten. Sergio erwiderte etwas mit gesenkter Stimme, worauf Constanzia sich zum Gehen wandte, nicht ohne Alex noch einen prüfenden Blick zugeworfen zu haben.
    »Ich muss mich jetzt leider meinen anderen Gästen widmen.« Sergio legte Alex kurz seine Hand auf den Arm. »Nimmst du mich später mit in die Stadt?«
    »Mal sehen. Ich weiß nicht, ob ich so lange bleibe.«
    »Es würde mich sehr freuen«, sagte er, »bis später.«
    ***
    Für den Rest des Abends sah Alex Sergio nur noch aus der Ferne. Er war blendender Laune, scherzte mit den Damen seiner Geschäftspartner und Freunde, tanzte mit seiner Frau und war der perfekte Gastgeber. Alex genoss den Abend auch ohne ihn aus vollen Zügen. Vor einer Woche war sie in das Penthouse an der Upper West Side gezogen, sie war zu Gast auf einer privaten Feier eines der reichsten Männer Amerikas und man behandelte sie wie jemanden, der ganz selbstverständlich dazugehörte. Sie fühlte sich geschmeichelt, dass die meisten der Anwesenden ihren Namen kannten. Während die Ehefrauen gelangweilt lauschten, diskutierte Alex mit ihren Männern über die erwartete Leitzinserhöhung, die größere Leverage beim Optionshandel im Gegensatz zum Aktienkauf, die rasant steigenden Kurse der neuen Computerwerte und die daraus zu erwartenden Möglichkeiten für den Markt und über die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die Börse. Sie saß am Tisch mit Zack,Levy, Weinberg, Friedman, Max Rudensky, David Norman, einem Vorstandsmitglied der NYSE und einem Mann namens Jack Lang von der Brokerfirma Manhattan Portfolio Management, von der Alex allerdings noch nie etwas gehört hatte. Das Essen vom besten Feinkost-Caterer New Yorks war sensationell, der schwere, französische Rotwein ein Gedicht und die perfekt gemixten Cocktails trugen ihr Übriges dazu bei, dass Alex gar nicht merkte, wie schnell die Zeit verging. Es war schon dunkel, als sie sich nach Sergio umblickte. Er war nirgendwo zu sehen. Mit einem Ohr hörte sie, wie Zack, Rudensky und Jack Lang halblaut über Fonds sprachen, die mit sensationellen Gewinnmargen in Wagniskapitalgesellschaften investierten. Es ging um International Business Companies, so genannte IBCs, die aus Gründen der Steuerfreiheit in Offshore-Finanzzentren wie den Cayman Islands, Samoa, Labuan oder anderen exotischen Orten eingetragen wurden. Alex mischte sich nicht ein, denn sie interessierte es viel mehr, wo Sergio war. Seine Frau saß ein paar Tische weiter entfernt und war in ein Gespräch mit einer älteren grauhaarigen Frau vertieft. Schließlich entschuldigte sie sich und ging zum Haus, um eine Toilette zu suchen. Während sie neugierig durch die großen Salons und die langen Gänge streifte, merkte sie, dass sie zu viel getrunken hatte. Plötzlich zuckte sie zusammen, als sie unvermittelt einem Mann gegenüberstand. Er war kleiner als sie, mager und sein Frettchengesicht war von Aknenarben entstellt. Alex lief es eiskalt über den Rücken. Es war nicht einmal die Hässlichkeit des Mannes, sondern seine kalten und seltsam leblosen Augen, die ihr Angst einflößten. Es waren die gelblichen Augen eines Raubtiers, die sie für den Bruchteil einer Sekunde erfassten und zu durchbohren schienen.
    »Buona Sera«, sagte er mit einer heiseren Stimme und ging an ihr vorbei. Alex starrte ihm nach. Was war das für ein fürchterlicher Mensch, der am Abend von Sergios Geburtstagsparty in dessen Haus auftauchte? Schlagartig ernüchtert hatte sie das Gefühl, so rasch wie möglich zu den anderen Gästen zurückkehren zu müssen. Sie ging eilig einen Gang entlang, von dem sie annahm, dass er sie zurück in den Garten führen

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